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Platzangst haben die Fans von Jane Goodall nicht. Bereits eine halbe Stunde vor Beginn des Vortrags der britischen Schimpansenforscherin strömten sie zu Hunderten vor das Auditorium Maximum und drängten sich zu einer riesigen Traube zusammen. Da der grösste Hörsaal am Irchel in kürzester Zeit voll war, wurden die Worte Jane Goodalls per Video in einen zweiten Raum übertragen.
Auffallend viele junge Leute waren gekommen, die mittlerweile 72-jährige Primatenforscherin zu hören. Die Botschaft von Jane Goodall, es gebe gute Gründe, die Hoffnung auf eine bessere (Um-)Welt nicht zu verlieren, scheint einem tiefen Bedürfnis der jüngeren Generation zu entsprechen.
Jane Goodall begann ihren Vortrag mit der Schilderung ihrer Herkunft aus einfachen Verhältnissen und hob speziell ihre Mutter hervor, die sie stets unterstützt und ermuntert habe, ihre «hochgestochenen» Träume zu realisieren. Sie erzählte von ihren Anfangsschwierigkeiten, als sie als junge Frau im Gombe National Park in Tansania die Schimpansen beobachtete; wie sie unter Erfolgsdruck stand – und sich schliesslich intuitiv für eine neue eigene Vorgehensweise entschied: Beobachtung der Schimpansen in ihrer ursprünglichen Umgebung und Beschreibung des Beobachteten.
Unwissenschaftlich sei ihr Vorgehen, liessen die gestandenen Professoren verlauten, und Jane Goodall hatte unter anderem den korrekten Jargon zu lernen, den es brauchte, um im Wissenschaftsbetrieb akzeptiert zu werden. «Ich schrieb fortan nicht mehr: 'Schimpansenkind Flow reagierte eifersüchtig', sondern 'Flow stiess den Bruder weg und klammerte sich an die Mutter, dergestalt dass, wenn er ein Mensch gewesen wäre, man den Eindruck hätte gewinnen können, er sei eifersüchtig», erzählte Goodall mit einem Lächeln. – Vierzig Jahre später gilt Jane Goodall als Pionierin, die das Feld der wissenschaftlichen Anthropologie erst erschaffen habe, wie der Direktor des Anthropologischen Instituts der Universität Zürich, Professor Carel van Schaik, in seiner Einführung sagte.
Die Zeit der intensiven Feldforschung ist für Jane Goodall weitgehend vorbei. Ihr derzeitiges Engagement, für das sie nach eigenen Angaben rund dreihundert Mal im Jahr auftritt, gilt dem weltweiten Projekt «Roots & Shoots» (Wurzeln und Schösslinge). Diese Initiative des Jane Goodall Institute hat bereits über 8000 meist jugendliche Gruppen in rund 100 Ländern dafür begeistert, sich auf selbst bestimmte Art und Weise für Mensch, Tier und Natur einzusetzen. Neben dem Tier- und Umweltschutz spricht sich Jane Goodall auch für soziale Einsätze aus – denn der Homo sapiens sei Teil der Welt, die es als Ganzes zu verbessern gelte.
Von den Schimpansen hat Jane Goodall gelernt, dass in jedem Lebewesen auch dunkle, zerstörerische Seiten angelegt sind. Dass die Primatenforscherin trotzdem voller Hoffnung an das Gute im Menschen geblieben ist, verdanke sie folgenden Überlegungen: Erstens seien Altruismus, Engagement für die Schwächeren und Hilfsbereitschaft genauso verbreitet unter den Primaten wie Aggression und kriegerisches Gebaren – ja, die soziale Verantwortung füreinander bestimme die Gemeinschaft von Lebewesen weitaus stärker als purer Egoismus, und sie sei recht eigentlich die Basis kultureller Errungenschaften gewesen.
Vor allem die Jugendlichen zeigten auch heute noch Enthusiasmus und Einsatzbereitschaft, wenn es darum gehe, sich für eine bessere Welt einzusetzen. Auch verfüge der Mensch über Verstand und Sprache, und damit über probate Mittel, um selbst komplexe Probleme zu lösen. In der ganzen Welt gebe es Persönlichkeiten, die gegen alle Widerstände für eine gute Sache kämpften und durch ihr Vorbild andere mitrissen.
Zweitens verfüge die Natur über ungeheure Erneuerungskräfte, die der Mensch noch gar nicht alle kenne; sogar im Atombomben-verseuchten japanischen Nagasaki würden heute wieder Büsche und Bäume wachsen, obwohl man nach dem Zweiten Weltkrieg dachte, die Vegetation sei unwiderruflich geschädigt. Drittens sei das Gehirn des Menschen derart grossartig und lernfähig, dass der Homo sapiens durchaus im Stande sei, das kurzfristige Profitdenken aufzugeben und langfristige Nachhaltigkeit anzustreben. Nicht nur Einzelpersonen könnten sich ändern, auch Konzerne seien lernfähig, und – «even George Bush has accepted global warming – even him!»