Navigation auf uzh.ch
Die Bologna-Reform weckt bei vielen Studierenden Ängste und Skepsis. Die häufigsten Befürchtungen: dass das Studium verschult werde, dass die Studierenden stärker kontrolliert würden, dass Bologna zu höherem Prüfungsdruck führe und dass neben dem Studium keine Zeit für Geldjobs frei bleibe; positiv wird von allen die bessere Mobilität und die klarere Planbarkeit empfunden.
Die Wirtschaftwissenschaften und die Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät haben Bologna seit WS 04/05 eingeführt; die alten Studiengänge werden parallel dazu bis 2010 (WWF) bzw. 2012 (MNF) weiter geführt.
Die Reformen im Bereich der Veterinärmedizin wurden weitgehend unabhängig von der Bologna-Reform an der Universität Zürich in einem gemeinsamen Projekt mit der Universität Bern durchgeführt.
In der Human- und Zahnmedizin wurde erst im Mai des vergangenen Jahres beschlossen, dass auch dort eine Reform nach dem Bologna-Modell durchgeführt werden soll. Die erforderlichen Konzeptarbeiten sind am Laufen, so dass eine Umstellung auf 2007 oder 2008 möglich sein wird. Das Curriculum der Medizinischen Fakultät war bereits in den vergangenen Jahren Gegenstand weitgehender Reformen. So sind z.B. bereits heute Kreditpunkte eingeführt. Im Rahmen der Umstellung auf Bologna kann an diese Bemühungen angeknüpft werden.
An der Rechtswissenschaftlichen, an der Philosophischen und an der Theologischen Fakultät wird Bologna kommendes Wintersemester 06/07 umgesetzt.
Wo Bologna eingeführt wurde, müssen die Studierenden mit Vorlesungen, Übungen, Praktika und Arbeiten ECTS-Punkte sammeln, bis zum Bachelor insgesamt 180. Der Erwerb eines ECTS-Punktes setzt 30 Arbeitsstunden voraus. Im Rahmen eines Vollzeitstudiums sollen die Studierenden pro Jahr Studienleistungen im Umfang von 60 ECTS-Punkten erbringen. Dies entspricht 1800 Stunden pro Jahr, also einer 42-Stunden-Woche. Teilzeitvarianten sind möglich, das heisst, dass auch mit Bologna neben dem Studium gejobbt werden kann.
Die Studierenden müssen alle Module beziehungsweise Leistungsnachweise, für die sie sich Anfang Semester einschreiben, konsequent ablegen. Man kann sich nur bis Mitte der Veranstaltungsdauer abmelden, bei Nichtabmelden gilt automatisch «nicht bestanden». Prüfungen von Pflichtmodulen können einmal wiederholt werden, wer dann durchfällt, fällt auch aus dem Studiengang (diese Regelung gilt für das Grundstudium auch im alten System). Bei Wahlpflicht- und Wahlmodulen gelten weniger strenge Regeln. Nicht nur Prüfungen, sondern auch Referate, Seminararbeiten, Posters u. ä. dienen als Leistungskontrolle und bringen ECTS-Punkte. Die regelmässige, Modul-begleitende Leistungskontrolle soll den Prüfungsstress vom Studienende verringern und auf die einzelnen Semester verteilen.
Nach drei Jahren kann ein erster Abschluss, der Bachelor, erworben werden; nach weiteren eineinhalb bis zwei Jahren können Studierende den Master machen (entspricht dem jetzigen Lizentiat). Die strukturellen Anforderungen für den Bachelor und Master sind international einheitlich festgelegt, so dass die Universität relativ einfach gewechselt werden kann. Internationale Vergleichbarkeit der Anforderungen an ein Studium und grössere Mobilität sind denn auch die Hauptziele, die die Bologna-Reform anstrebt. Die inhaltliche Umsetzung der neuen Studiengänge, also welche studentischen Leistungen mit welchen Modulen erbracht werden müssen und zu wie vielen ECTS-Punkten führen, das festzulegen obliegt den Fakultäten bzw. Lehrstühlen.
unipublic hat Studierende der Mathematisch-naturwissenschaftlichen und der Vetsuisse-Fakultät zu ihrem Studienalltag und den eingangs genannten Befürchtungen im Zusammenhang mit Bologna befragt.
«Ich habe schon vieles ausprobiert, drei Semester Maschinenbau an der ETH, ein halbes Jahr an der Hochschule St. Gallen, doch nichts hat mir gefallen. Nun mache ich das, was mich wirklich interessiert und was ich auch gut kann: Mathe. Nein, wirtschaftliche Überlegungen haben mich bei der Studienwahl keine gelenkt, ich nehme es einfach Schritt für Schritt und denke für einmal nicht über die Zukunft nach.
Ich weiss nicht, ob Mathe an der Uni schon Bologna-kompatibel ist [alle Studienanfänger der MNF studieren seit WS 2004/05 nach Bologna, Anm. d. Red.]. Ja, Kreditpunkte muss ich sammeln, insgesamt 180 Punkte für den Bachelor. Im ersten Semester haben wir nur zwei Fächer, beide ergeben je 19 Punkte, zusammen also 38.
Ich pendle jeden Tag von Sarnen an die Uni. Ich nehme den 8:15-Zug, die Vorlesungen fangen montags bis mittwochs um Viertel nach zehn an, am Donnerstag um ein Uhr, das ist doch recht gemütlich. Wir haben nicht viele Wochenstunden, nur 14, dafür müssen wir daneben sehr viele Übungen machen und jede Woche abgeben, plus Testatprüfung. Wir könnten alles von zu Hause aus machen, aber mit Vorlesungen geht es schon besser.
In den Ferien nehme ich mir eine Woche frei, den Rest arbeite ich, seit je, um Geld zu verdienen. Das reicht dann für das nächste Semester. Ich arbeite immer bei der gleichen Firma in Sachseln, ein Bürojob. Dieses Jahr habe ich auch Stipendien erhalten.
Ins Ausland würde ich sofort gehen. Ich bräuchte einfach das Geld dazu, am liebsten nach England, Amerika eher nicht.»
«Ich habe das KV gemacht, danach die Erwachsenenmatura, ich habe seinerzeit das Gymnasium abgebrochen und wollte es nochmals versuchen. Physik hat mich schon immer interessiert, vor allem die Astrophysik, Kosmologie und Raumfahrttechnik. Weshalb an der Uni Zürich? Wegen des Umfelds, der Kombinationsmöglichkeiten und weil ich daneben noch zwanzig Prozent arbeiten kann, als Buchhaltungsangestellter und Webpublisher. Dank den Modulen kann man an der Uni mit dem Pensum jonglieren, mal ein Modul mehr, mal weniger, das ist flexibler als an der ETH, soviel ich weiss. Dieses Semester bin ich vier Tage an der Uni, mache zwei Module des Grundstudiums, eines in Mathe habe ich abgemeldet, das war mir wegen des Geldjobs zu viel.
Für die Physik-Studierenden gibt es im Internet sehr gute Musterpläne, wie man sein Studium aufbauen kann. Ich finde die Uni überhaupt nicht verschult, wir haben auch Praktika, wo wir grad sehen, wie die Theorie in der Praxis angewandt wird. So ist das Studium von Anfang an interessant.
Ob ich weiter mache, werden die Prüfungen weisen. Sicherheit gibt es nie. Meine nächste Prüfung ist am 27. Februar. Mein Gefühl? In Physik relativ gut, in Mathe weniger. Die Mathematik an der Hochschule ist recht anders als an der Mittelschule, da muss man sich schon durchkämpfen, das ist eher ein Schwachpunkt von mir, dafür brauche ich relativ viel Zeit.
Mein Plan ist, in vier Jahren die erforderlichen 180 Kreditpunkte für den Bachelor zu sammeln. Dieses Semester mache ich zirka 20 Punkte. Die Bachelor-Arbeit wird drei bis fünf Monate in Anspruch nehmen, der Master sechs bis neun Monate – also eine recht aufwändige Sache. Doch kann man dann schon in einem grösseren Forschungsprojekt mitarbeiten, das finde ich eine interessante Aussicht.
Wir sind zirka 20 Personen, die Physik als Hauptfach studieren – es ist also nicht so, dass man sich in der Menge verloren vorkäme. Im Gegenteil: Man lernt bald mal alle kennen - wie in einer normalen Schulklasse. Das hat den Vorteil, dass man Problemstellungen ungenierter bespricht und wohl auch eher Rückhalt und Motivation erhält, als wenn man als Einzelkämpfer in einem Jahrgang mit viel mehr Personen studiert, wie etwa an der ETH. Auch deshalb bin ich an die Uni gekommen.
An der Bologna-Reform empfinde ich die Modularität als eine Chance. Die Module machen die Planung des ganzen Studiums übersichtlich und vereinfachen den Wechsel an andere Unis. Das ist sehr positiv. Man kann sich weniger im Studium verlieren; aber es wird auch schnell klar, dass man nicht zum 'Pläuschle' da ist. Die Leistungskontrolle und Selbstbeurteilung ist mit Bologna besser gewährleistet.»
«Ich würde gerne Entwicklungshelferin werden und habe deshalb Geografie gewählt. Ich arbeite neben dem Studium, einen Tag pro Woche und während der Semesterferien; bisher als Verkäuferin und als Serviceangestellte.
Wenn man die Prüfungen besteht, ist das Studium nach Bologna 'easy', wenn nicht, hat man in den Ferien einen Stress und muss für den zweiten Versuch lernen. Ich weiss immer, wie viele Punkte die Vorlesungen geben, die ich belege. Dieses Semester mache ich 31 Kreditpunkte. Die Stimmung unter den Studierenden ist während des Semesters eher angespannt; höhere Semester nehmen es etwas lockerer, habe ich gehört.
Bei uns ist vieles vorgeschrieben, sogenannte Pflichtmodule. Als Dritt-Semestrige kann ich nur wenig wählen, ich habe mich jetzt für Volkswirtschaftslehre entschieden. Ich bin etwa zwanzig Stunden pro Woche an der Uni. Ja, wir haben auch praktische Übungen, aber das Geografiestudium ist recht verschult [im Aufbaustudium wird das Geografiestudium freier, Anm. d. Red.], fast wie in der Kanti. Ich hätte es gerne etwas freier.
Ins Ausland würde ich gerne einmal. Ich habe noch keine Lieblingsdestination. Afrika würde mich interessieren, aber entschieden habe ich mich noch nicht.»
- Janine: Wir sind Repetentinnen. Wir müssen die Prüfung in Chemie und Physik, wo wir durchgefallen sind, im zweiten Anlauf bestehen, sonst kippen wir raus. Ich müsste mich dann völlig neu orientieren. Eigentlich ist Tierärztin mein Wunschtraum, aber ich könnte mir auch vorstellen, sonst mit Tieren zu arbeiten. Aber jetzt will ich einfach die Prüfung machen, und nachher schaue ich weiter.
- Sarah: Wir hatten zu Hause immer viele Tiere. Tierärztin ist schon lange ein Traum von mir, ich möchte das unbedingt schaffen. Wenn ich die Chemie- und Physikprüfung hier nicht bestehe, ich weiss auch nicht, vielleicht gehe ich sogar ins Ausland und versuche es dort nochmals.
- Janine: Ich arbeite abends als Garderobiere in einem Theater. Das geht gut mit dem Studium zusammen. Ab und zu kann ich dort etwas lernen nebenbei. Ich bekomme auch Stipendien, sonst würde es nicht reichen.
- Sarah: Ich habe die vergangenen zwei Jahre sporadisch als Praxisangestellte in einer Tierklinik gearbeitet; weil es jetzt auf die Prüfung zugeht, habe ich letzte Woche damit aufgehört.
- Janine: Alle Fächer sind vorgegeben, wann und wo; wir können nicht zuerst in die Anatomie sitzen und nachher in die Biochemie. Ich finde das gut, weil man so gar nicht erst hin und her überlegen muss, was wäre, wenn ich dieses und jenes nicht belegen würde. Wir sind jeden Tag an der Uni, von morgens bis um zirka vier Uhr nachmittags. Im Schnitt haben wir etwa sechs Stunden Vorlesungen pro Tag. Dann kommt noch das Lernen dazu.
- Janine: Ich habe bis jetzt noch nicht an ein Auslandsemester gedacht. Mit Erasmus gibt es das Problem, dass man wegen des engen Stundenplans eventuell ein Jahr verliert.
- Sarah: Ich habe vor, ins Ausland zu gehen. In die USA oder nach Holland, die beide in der Veterinärmedizin gut sein sollen. Wann? Noch keine Ahnung.