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Seinen Anfang nahm Albert Hofmanns Laufbahn in der Kleinstadt Baden. Dort wuchs er auf, in einer weitgehend intakten Natur, die ihm, hundert Jahre und etliche Entdeckungen später, noch immer wie ein kostbarer Schatz vorkommt. Der junge Albert absolvierte zuerst eine kaufmännische Lehre, bevore er 1926 sein Chemiestudium an der Universität Zürich begann. Bereits vier Jahre später promovierte er mit Auszeichnung bei Paul Karrer, dem späteren (1937) Nobelpreisträger für Chemie, an unserer Universität.
«Albert Hofmann war meines Erachtens ein Wunderkind», findet Chemieprofessor Jay S. Siegel von der Universität Zürich. Aus Ehrerbietung gegenüber dem hundertjährigen, geistig und körperlich fitten Berufskollegen hat Siegel ein Kolloquium mit den international wichtigsten Enzymchemikern und Biosynthetikern organisiert, an dem der Jubliar ebenfalls teilnehmen wird.
Albert Hofmann, der als Entdecker des LSD bekannt wurde, fing mit Hummerpanzern und Schnecken an. Er mischte den Chitinpanzer (ein Polymer, aufgebaut aus Glucosamin-Resten) von Hummern mit eigenhändig ausgepresstem Magensaft von Weinbergschnecken und erhielt so Glucosamin. «Zu jener Zeit arbeitete man noch nicht mit reinen Stoffen», erzählt Jay S. Siegel, «und Hofmann hatte Glück, dass sein Experiment eine einzelne Substanz hervorbrachte. Denn zu jener Zeit gab es noch keine einfachen Verfahren, um reine Substanzen herzustellen.» Nicht nur solche Experimente, auch die Theorie der organischen Chemie war in den Dreissigerjahren des 20. Jahrhunderts noch «ziemlich grün hinter den Ohren», wie Jay S. Siegel anmerkt. Albert Hofmanns Arbeiten brachten einen grossen methodischen Fortschritt und völlig neue Einsichten zur Struktur von Molekülen.
Die Biosynthese blieb Hofmanns Lieblingsgebiet. Damit ist die Fähigkeit von Lebewesen gemeint, mit körpereigenen Enzymen Substanzen hervorzubringen (also ohne etwas zu fressen oder sonstwie dem Körper zuzufügen). Nach der Dissertation ging Hofmann zum Chemiekonzern Sandoz, dem er 42 Jahre lang treu blieb. Er war – was heute nicht mehr möglich wäre – gleich für mehrere Forschungsgebiete zuständig. Unter anderem suchte er nach reinen Substanzen aus Naturstoffen wie dem Digitalisglykosid – dem Glykosid des Fingerhuts, der seit Alters her gegen Herzinsuffizienz verabreicht wird. «Bei den Naturstoffen gibt es ja immer schwankende Konzentrationen einer Substanz, je nach Standort der Pflanze oder Jahreszeit und Klimabedingungen; diese Unregelmässigkeiten der Naturstoffe versucht die Chemie für die Produktion von Medikamenten auszugleichen, denn da muss die Dosierung der wirksamen Substanz immer gleich sein», führt Jay S. Siegel aus.
Albert Hofmann interessierte sich auch für den Mutterkorn-Pilz (Ergotamin), der auf Getreiden wächst und in hohen Dosierungen zu Vergiftungen führt. Hofmann isolierte das Ergotamin und entwickelte daraus Medikamente, die gegen Nachblutungen wirken und bis heute vielen Müttern im Wochenbett das Leben gerettet haben.
«Zu jener Zeit gab es nur wenige Chemiker, so musste Hofmann bei der Sandoz von der Entdeckung bis zur Medikamentenherstellung alles selbst machen», sagt Jay S. Siegel. Mindestens drei Medikamente – gegen Migräne, Blutdruckprobleme und Nachblutungen – hat Albert Hofmann aus Ergotamin und seinen Abkömmlingen entwickelt. Auch die Entdeckung des LSD erfolgte, eher zufällig denn gesucht, bei seinen Experimenten mit Mutterkorn.
Heutzutage wäre ein Chemiker mit so vielen Entdeckungen wie Hofmann eine gefeierte und vermögende Berühmtheit. Nicht so bei Albert Hofmann, ihm stieg der Erfolg nicht zu Kopf. «Chemiker wie Hofmann interessieren sich weniger für Luxus und Geld, sondern möchten an spannenden Fragen arbeiten», sagt Professor Jay S. Siegel. Noch heute interessiere sich der 100-Jährige für die neuesten Entwicklungen der organischen Chemie – dieses wache Interesse brachte Jay S. Siegel auf die Idee, dem Jubilar zum 100. Geburtstag eine Tagung mit weltbekannten organischen Chemikern von heute zu «schenken».
An der Tagung ein Referat halten werden Prof. Jiali Gao von der University of Minesota, der die neuesten Theorien zur Biosynthese erörtert, Prof. Jonathan Spencer von der University of Cambridge, der über die aktuellen gentechnischen Verfahren der Biosynthese berichtet, und Prof. Ted Molinski von der University of California, der wie Hofmann seinerzeit die Naturstoffchemie, allerdings von Meerestieren untersucht. «Albert Hofmann selbst wird am 27. Januar nicht referieren», sagt Jay S. Siegel, «das hat er in den letzten Monaten ja schon häufig getan. An unserer Tagung soll er sich einfach zurücklehnen und den heutigen Koryphäen zuhören können.»