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Anlass für die Tagung «Gleiche Chancen auf dem Bildungsweg?» war der Internationale Tag der Menschen mit einer Behinderung am 3. Dezember. Dieser stand in der Schweiz unter dem Motto «Arbeit bedeutet Integration». Um aber Arbeit zu finden, braucht es zuerst Bildung. Die Behindertenkonferenz Kanton Zürich, die Beratungsstelle Studium und Behinderung der Universität Zürich und die Kontaktstelle für behinderte Frauen und Mädchen «avanti donne» organisierten daher in der Aula der Universität eine Tagung, die der Frage nachging, wie der hindernisfreie Zugang zu Bildung für Menschen mit Behinderung umgesetzt werden kann.
«Für viele Menschen mit Behinderung ist der Zugang zu Bildung immer noch mit Hindernissen verbunden», sagte Dr. Caroline Hess-Klein, Leiterin der privaten Fachstelle Egalité Handicap. Das in der Bundesverfassung verankerte Diskriminierungsverbot und das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) würden zwar für öffentliche Schulen, aber nicht oder nur beschränkt für Privatschulen gelten. Anlass zu Hoffnung gebe der kürzliche Entscheid der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), dass wenn immer möglich die integrative Schulung zu ermöglichen sei.
Dass auch öffentliche Schulen selbst heute nicht immer behindertengerecht gebaut werden, zeigte das an der Tagung erwähnte Beispiel der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne. Der geplante Neubau für ein «Learning Center» berücksichtige in keiner Weise die Bedürfnisse von geh-, seh-, oder hörbehinderten Menschen, berichtete Joe Manser von der Schweizerischen Fachstelle für behindertengerechtes Bauen.
Wer den Zugang zur Hochschule geschafft hat, hat oft schon einen beschwerlichen Weg hinter sich. Privatschulen können dabei bisweilen sogar integrativer sein als staatliche Schulen. Kay Sauter berichtete von seinen Erfahrungen als Hörbehinderter, der dank Hörgerät vorerst eine Regelschule besuchen konnte. Eine neue Lehrerin meldete ihn dann aber ohne Absprache mit ihm und seinen Eltern kurzerhand für eine Gehörlosenschule an. Sauter verliess daraufhin die öffentliche Regelschule, ging den Weg bis zur Matura über integrative Privatschulen und begann 2003 ein Studium an der Universität Zürich.
Dass Lehrkräfte der Regelschule bisweilen «sehr kreativ darin sind, Barrieren zu errichten», diese Erfahrung macht auch Prof. Wilfried Schley vom Institut für Sonderpädagogik der Universität Zürich. Oft sei es die Angst der Lehrkräfte vor dem Unbekannten, welche eine integrative Schulung verunmögliche. Unter dem Deckmantel der Fürsorglichkeit werde dies bisweilen damit begründet, man wolle die Kinder vor Überforderung schützen. Schley forderte demgegenüber, den «Möglichkeitsraum zu erweitern».
Was nötig ist, um die Bildungschancen für Menschen mit Behinderung zu erhöhen, dieser Frage ging das abschliessende Podiumsgespräch nach. «Was fehlt, ist ein Verständnis davon, was wirklich behindernd ist am Bildungssystem», sagte Prof. Judith Hollenweger von der Pädagogischen Hochschule Zürich. Es komme immer wieder vor, dass Lehrkräfte der Regelschule die Fähigkeiten von Kindern falsch einschätzen: «Wie soll unter dieser Voraussetzung der Unterricht individuell gestaltet werden können?»
«Bitte mischen Sie sich nicht nur in die sonderpädagogische, sondern auch in die allgemeine Bildungsdiskussion ein», forderte Hollenweger die Anwesenden auf. Es sei nicht nachvollziehbar, warum beispielsweise gehörlose Schülerinnen und Schüler prinzipiell aus den Pisa-Studien ausgeschlossen werden.
Dass Lehrerinnen und Lehrer sensibilisiert und unterstützt werden müssen, betonte auch Cyril Mizrahi, Co-Präsident des Gleichstellungsrates von Egalité Handicap: «Wir können die Lehrer nicht alleine lassen.» Politisch werde sich auch in Zukunft vieles auf der Ebene der Kantone abspielen. Dort müsse es darum gehen, das Diskriminierungsverbot in den kantonalen Gesetzen zu verankern.
Den Bogen von der Bildung zur Integration durch Arbeit schlug Karl Emmenegger. Er berichtete als Bereichsleiter am Institut für Berufsfindung des Paraplegikerzentrums Nottwil von einem Modell, das den Betroffenen nicht nur während der Zeit der Rehabilitation, sondern lebenslänglich Unterstützung bei der Berufsfindung anbietet. Die berufliche Betreuung dürfe allerdings nicht allein stehen, sondern müsse mit medizinischer und sozialer Beratung einhergehen. Ob dies angeboten werden kann, sei wie so oft «schlussendlich eine Frage des Geldes».