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Medien und Wissenschaft im Gentech-Diskurs

Die einen wollen präzise Aussagen, die anderen verständliche Geschichten. Medien und Wissenschaft folgen nicht derselben Logik, wie sich am Mittwoch an einer Tagung von «Life Science Zürich» zeigte.
Adrian Ritter

Der jüngst abgeschlossene Freisetzungsversuch von Prof. Christof Sautter vom Institut für Pflanzenwissenschaften der ETH Zürich bot Anschauungsmaterial zum Umgang der Medien mit Gentechnologie bei Pflanzen.

Das Thema war kein Zufall: Gentechnologie bei Pflanzen ist einerseits aktuell, da im November über die Gentechfrei-Initiative abgestimmt wird. Andererseits konnte an der Tagung das Verhältnis von Wissenschaft und Medien auch an einem konkreten Beispiel betrachtet werden: dem umstrittenen Freisetzungsversuch von Dr. Christof Sautter vom Institut für Pflanzenwissenschaften der ETH Zürich.

Goldener Schuss in die Zelle

Zuerst aber wurden die Grundlagen zum Verständnis gelegt, denn die Veranstaltung war auch als Weiterbildung für Journalistinnen und Journalisten gedacht. Prof. Michael Hengartner vom Institut für Molekularbiologie der Universität Zürich (UZH) lieferte einen Überblick über die wichtigsten Begriffe auf dem Weg vom Gen zum Protein. Im Selbstversuche durften die Journalisten anschliessend per Abstrich der Mundschleimhaut ihre eigene DNA isolieren.

Gentechnologie zum Anfassen: Die Journalisten durften anlässlich der Life Science Zurich Tagung mit einem Abstrich der Mundschleimhaut ihre eigene DNA isolieren.

Prof. Ulrich Grossniklaus vom Institut für Pflanzenbiologie der UZH führte dann über zur gentechnologischen Arbeit mit Pflanzen. Zwei Möglichkeiten gebe es, das Erbgut zu verändern. Entweder über ein spezielles Bakterium, das diese Aufgabe übernimmt oder mit so genannten «biolistischen Verfahren». Dabei werden kleine Goldpartikel mit DNA bestückt und mit einem Gerät ähnlich einer Pistole direkt in die pflanzliche Zelle geschossen.

Die Verluste eindämmen

Dass Gentechnologie bei Pflanzen angewendet werden sollte, ergibt sich für Grossniklaus unter anderem daraus, dass die Weltbevölkerung weiterhin stark wachsen wird. Die nötige Agrarfläche, um diese Menschen zu ernähren, könne aber nicht beliebig vergrössert oder noch produktiver genutzt werden. Mit Gentechnologie könnten Ertragsverluste durch Unkräuter, Pflanzenkrankheiten und Insekten massiv verringert werden. Eher in die weitere Zukunft gerichtet sind gentechnologische Anwendungen, die Pflanzen beispielsweise gegen Kälte oder Trockenheit resistent machen oder mit Vitaminen anreichern wollen.

«Verglichen mit klassischen Züchtungsmethoden sind die Veränderungen im Erbgut bei der Gentechnologie minim», sagt Prof. Ulrich Grossniklaus vom Institut für Pflanzenbiologie der Universität Zürich.

Ethischen Bedenken wegen des Eingriffs ins Erbgut hält Grossniklaus entgegen, die gentechnologischen Veränderungen seien «minim, verglichen mit herkömmlichen Methoden der klassischen Züchtung».

Bewilligungsverfahren dauert länger als Moratorium

Dr. Stefan Kohler vom Anwaltsbüro Vischer in Zürich erläuterte die rechtlichen Aspekte der «ausserhumanen Gentechnologie». Das seit 2004 gültige Gentechnikgesetz sei das «vielleicht strengste Gesetz weltweit», erklärte Kohler.

Die Gentechfrei-Initiative hingegeben kollidiere stark mit den WTO-Verträgen, die auch die Schweiz unterzeichnet habe. Diese erlauben Handelshemmnisse nur, wenn sie wissenschaftlich begründet werden können, was bei der Pflanzengentechnologie nicht der Fall sei. Ein fünfjähriges Moratorium, wie es die Initiative vorsieht, ist gemäss Kohler auch deshalb unsinnig, weil das bestehende Bewilligungsverfahren für Freisetzungen ohnehin fünf bis zehn Jahre dauert und zur Zeit keine Gesuche hängig sind.

Zwei Welten im Gespräch: Pflanzenbiologe Prof. Christof Sautter von der ETH Zürich (links) und Wissenschaftsjournalist Mathias Ninck (NZZ am Sonntag) .

15 Sekunden für ein Statement

Dass keine Gesuche hängig sind, dürfte viel mit den Erfahrungen von Dr. Christof Sautter zu tun haben. Sein Versuch, in Weizen gentechnologisch eine spezifische Pilzresistenz zu erzeugen, hatte hohe Wellen geworfen, bis hin zur Beschädigung des Versuchsgeländes durch Greenpeace im März 2003.

Er habe viel darüber gelernt, wie Medien funktionieren, so Sautter. Zum Beispiel, wie aufwändig es ist, sich kurz und dennoch korrekt auszudrücken – ein Muss, wenn der Journalist der Tagesschau einem erkläre, er habe nur 15 Sekunden Zeit für sein Statement. Immer wieder sei es vorgekommen, dass er sich als Forscher zwar zu erklären versucht habe, wichtige Informationen aber nicht an die Leser oder Zuschauer weitergegeben worden seien. Aufgefallen ist dem Forscher auch, dass ihm viele kritische Fragen gestellt wurden, die einem klassischen Pflanzenzüchter nicht gestellt werden.

Die Medienberichterstattung über Gentechnologie hat seit 1992 kontinuierlich zugenommen. Prof. Heinz Bonfadelli vom Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich.

«Grüne Gentechnologie» missfällt

Dass in den Medien das Thema Gentechnologie stark vertreten ist, bestätigte Prof. Heinz Bonfadelli vom Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der UZH. Seit 1992 hätten die Medienberichte über Gentechnologie kontinuierlich zugenommen. Umfragen zeigen, dass die medizinisch anwendbare Gentechnologie, auch «rote Gentechnologie» genannt, von der Bevölkerung mehrheitlich positiv bewertet wird. 70 Prozent der Bevölkerung äussern sich aber ablehnend gegenüber der Pflanzen- oder «grünen Gentechnologie».

Die Prise Gift

Einer der Berichterstatter über Gentechnologie ist Mathias Ninck. Der studierte Umweltnaturwissenschaftler und heutige Wissenschaftsjournalist der NZZ am Sonntag hatte sich wegen der Berichterstattung anlässlich der Genschutzinitiative 1998 «bei den Wissenschaftlern verhasst gemacht», wie er an der Tagung berichtete.

Grund war ein kritischer Bericht über eine Demonstration der Wissenschaftler in der Stadt Zürich. 65 böse Briefe insbesondere von Wissenschaftlern habe er damals erhalten, zum Teil unter der Gürtellinie. Ganz anders sei 2001 seine Begegnung mit Christof Sautter verlaufen. Dieser habe offen kommuniziert und ihm seine Frustration über die Medienberichterstattung verständlich machen können. «Plötzlich habe ich nicht mehr verstehen können, warum für Akteure wie Greenpeace alles, was aus der Wissenschaft stammt, eine Prise Gift enthält», so Ninck.

Besuch auf der Redaktion?

Wie denn das Verhältnis zwischen Medien und Wissenschaft verbessert werden könnte, wurde Ninck aus dem Publikum gefragt. Wichtig sei unter anderem, dass die Wissenschaftler die Grundmechanismen der Medien verstehen.

Vielleicht könnten ja zur Abwechslung die Forscher eine Redaktion besuchen, anstatt nur die Redaktoren die Labors, regte Molekularbiologe Michael Hengartner an. «Nicht sehr realistisch», meinte Ninck und wies auf das Zeitproblem auf den Redaktionen hin. Dafür erntete er entrüstetes Lachen der Wissenschaftler im Publikum, die sich vermutlich schon manche Stunde Zeit genommen haben für Journalisten.

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