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Physik für die nächste Generation

Zum 18. Mal fand diese Woche das Internationale Jugend-Physikturnier statt. Auch beim Finale am 20. Juli an der Universität Zürich Irchel hatten die Schülerinnen und Schüler knifflige Alltagsprobleme physikalisch zu erklären. Eine Tagung widmete sich parallel dazu der «Nachwuchsförderung in Technik und Naturwissenschaften».
Adrian Ritter

Auf dem Weg zum Sieg: Mit ihrer theoretischen und experimentellen Erklärung der Flugbahn eines Pingpongballes setzte sich das Team aus Deutschland im Finale des Jugend-Physikturniers gegen Weissrussland und die USA durch.

Hat das Team alle relevanten Faktoren berücksichtigt? War die Präsentation verständlich und ist die vorgeschlagene Lösung plausibel? Beim Jugend-Physikturnier geht es nicht nur darum, Alltagsbeobachtung physikalisch erklären zu können. Das Wissen darum, wie eine Libelle fliegt, eine Lawine entsteht oder welche Parameter für die Flugbahn eines Pingpongballs verantwortlich sind, reichen nicht aus, um beim International Young Physicists' Tournament (IYPT) erfolgreich zu sein. Die 25 Teams aus aller Welt hatten auch die Aufgabe, die Präsentationen ihrer Kolleginnen und Kollegen kritisch zu hinterfragen.

«It is not just about giving the right answer. How do they give the right answer and present it?» meinte denn auch Wissenschaftsjournalist Beat Glogger als Tagungsmoderator bei der Eröffnung des Finales. Dass er die Zuschauenden in englischer Sprache begrüsste, war kein Zufall – das Turnier findet gänzlich in englischer Sprache statt und stellt damit sprachlich eine zusätzliche Herausforderung für die 15- bis 18-jährigen Teilnehmenden dar.

Lösungen gut präsentieren und sich der Kritik stellen: Das Team Deutschland präsentierte eine Erklärung zur Flugbahn von Pingpongbällen und  hört sich die Kritik ihrer Kollegen aus Weissrussland an. Die IYPT-Teams beeindruckten durch detaillierte Kenntnisse zu den gestellten Aufgaben und engagierte Experimente. 

Stipendien für erfolgreiche Teams

125 Schülerinnen und Schüler aus aller Welt haben sich von all dem nicht abschrecken lassen. Speziell in Osteuropa und Asien ist das Interesse am Turnier gross, da für erfolgreiche Teams Stipendien winken. Nicht weniger als 40 Schulklassen hatten sich beispielsweise in Polen an der nationalen Ausscheidung beteiligt.

In der Schweiz ist das IYPT noch nicht sehr bekannt. Als Gastgeberland durfte die Schweiz zwar sogar zwei Teams stellen. Dies erwies sich allerdings als nicht ganz einfach, wie Wolfgang Pils, Physiklehrer an der Kantonsschule im Lee in Winterthur und Leiter des Organisationskomitees des diesjährigen Turniers, sagte. Dass sich in diesem Jahr nur drei Schulklassen für eine Teilnahme interessiert haben, liege allerdings auch daran, dass das Turnier in der Schweiz stattfinde und somit nicht mit einer Reise verbunden sei.

25 Teams aus aller Welt nahmen am 18. Jugend-Physikturnier teil und verfolgten  gespannt das Finale an der Universität Zürich Irchel.

Die unterschiedliche Bedeutung und Tradition des IYPT zeigt sich auch in der Rangliste. Während die Schweizer Teams auf den hinteren Rängen landeten, setzte sich das deutsche Team im Finale gegen die USA und Weissrussland durch. In Deutschland existiert mit dem Schülerforschungszentrum (SFZ) in Bad Salgau eine eigentliche Talentschmiede, wo sich interessierte Jugendliche insbesondere an den Wochenenden auf Wettbewerbe wie «Jugend forscht» oder das IYPT vorbereiten.

Frust in der Lehrerschaft

Dass längst nicht alle Jugendlichen begeistert sind von Physik und anderen naturwissenschaftlichen Fächern, zeigt sich in der Schweiz auch an rückläufigen Studierendenzahlen. In diversen Referaten und einem Podiumsgespräch im Rahmen des IYPT ging es um die «Nachwuchsförderung in Technik und Naturwissenschaften».

Andreas Steiner, Präsident der Forschungskommission des Wirtschafts-Dachverbandes economiesuisse, hielt fest, dass die naturwissenschaftlichen Fächer seit der neuen Maturitätsverordnung an den Gymnasien ein «Mauerblümchendasein» fristeten. Eine «totale Frustration» bei den gymnasialen Lehrern stellte Hans-Rudolf Ott, Vorsteher des Departements für Physik an der ETH Zürich fest. Der Grund dafür sei, dass die Physik als Grundlagenfach an den Gymnasien zurückgestuft worden sei, so Physiklehrer Wolfgang Pils. «Mit nur zwei Wochenstunden Physik pro Klasse kann man einfach nichts Vernünftiges machen.»

Nachwuchsförderung in den Naturwissenschaften - aber wie? Darüber diskutieren (von links) Johannes Randegger (Nationalrat), Tibor Gyalog (Swiss Physical Society), Hans-Rudolf Ott (ETH Zürich), Marina de Senarclens (Vereinigung «Ingenieure für die Schweiz von morgen») und Herbert Studer (Kantonsschule Zürich-Wiedikon).

Erbsünde Atombombe?

Ein Defizit hat die Physik aber auch in der öffentlichen Wahrnehmung, wie Tibor Gyalog von der Swiss Physical Society sagte. «Von Physik bleibt nach der Schule für viele nur übrig, dass es ein kläglicher Versuch war, mit Formeln die Welt zu erklären.» Wer denke beim SMS schreiben schon daran, dass die Technik ein «Kind der Physik» sei. Öffentlichkeitsarbeit sei deshalb nötig, um das schlechte Image zu verbessern, so Gaylog. Nationalrat Johannes Randegger vermutete, dass das kritische Verhältnis der Bevölkerung zur Physik auch mit ihrer «Erbsünde», der Atombombe, zu tun habe.

Wieder mehr Gewicht bei der Matura

Einig waren sich die Podiumsteilnehmenden, dass die Naturwissenschaften in der Wissenslandschaft Schweiz wieder gestärkt werden müssen. Gemäss Herbert Studer, Mathematiker und Rektor der Kantonsschule Zürich-Wiedikon, sind bei der Maturitätsverordnung Änderungen in diese Richtung vorgesehen.