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Interview mit dem neuen Prorektor Forschung

Der Universitätsrat hat Professor Heini Murer per März 2006 zum neuen Prorektor Forschung der Universität Zürich ernannt. Im Gespräch mit unipublic äussert sich der 61-jährige Biochemiker und Spezialist für Nierenphysiologie über seinen Werdegang und die Zukunft der Universität Zürich.
Das Interview führte Adrian Ritter

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Übernimmt im März 2006 das Amt des Prorektors Forschung an der Universität Zürich: Heini Murer, Direktor des Institut für Physiologie.

unipublic: Herr Murer, Sie sind angehender Prorektor Forschung und selber langjähriger Forscher. Stammen Sie aus einer Akademiker-Familie?

Heini Murer: Keineswegs. Mein Vater und meine zwei Brüder sind beziehungsweise waren im Baugewerbe tätig und auch bei mir war die Wissenschaft nicht als Weg vorgezeichnet, schon gar nicht die Naturwissenschaften. Für einen Klosterschüler im Kollegium in Stans waren eher Griechisch und Latein angesagt. Mein Interesse für biologische Fragen führte mich dann aber zum Studium der Biologie an der Universität Fribourg. Dort habe ich von Anfang an Forschungsthemen gewählt, die viel mit Medizin zu tun haben. In meiner Dissertation im Bereich Biochemie ging es darum, Blutzellen zu isolieren und zu charakterisieren.

Waren Sie zielstrebig, was Ihre akademische Laufbahn anbelangt?

Geplant hatte ich eigentlich nie etwas, es hat sich immer ergeben. Die Wege, die ich ging, hatten viel zu tun mit der Umgebung, die mich motivierte. Ich hatte immer das Glück, gute Vorgesetzte zu haben. Sie zeigten mir, dass meine Forschung relevant ist und ich nicht nur ihr «Zudiener» bin, sondern ein gleichwertiger Mitarbeiter. Schon früh haben mir meine Vorgesetzten die Chance gegeben, mich mit meinen Projekten auch zu präsentieren.

Sie haben sich in Ihrer Forschung je länger je mehr auf die Organe Niere und Darm spezialisiert. Woran haben Sie geforscht?

In den 1970er Jahren versuchten wir, mit biochemischen Methoden neu auftauchende Fragen der Medizin zu beantworten. Wir wollten herauszufinden, wie Organe auf der Ebene der Zellen und Membranen funktionieren. Insbesondere interessierte uns die funktionelle Charakterisierung von Transportvorgängen in Niere und Darm. Seit 1981 betreibe ich diese Art von Forschung am Institut für Physiologie der Universität Zürich.

In den 1990er Jahren kamen neue Methoden der Molekularbiologie hinzu. Diese sollen klären helfen, wie Zellen, Membranen und Moleküle die Innen- und Aussenwelt von Organen und des Körpers miteinander verbinden. Zudem müssen wir jetzt den schwierigen Weg zurück auf die Ebene der Organe und des Körpers gehen. Bei dieser «integrativen Physiologie» geht es darum, herauszufinden, wie die einzelnen Teile zusammenwirken.

Es gibt also noch viel zu tun in der Physiologie. Jetzt übernehmen Sie aber per März 2006 die Aufgabe des neuen Prorektors Forschung. Dieser ist für die Bereiche Forschung und Nachwuchsförderung zuständig. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?

Ich war jahrelang für den Schweizerischen Nationalfonds im Forschungsrat und auch als Präsident der Abteilung III (Biologie und Medizin) tätig und habe diese Arbeit auch vermisst, als ich 2004 aufgrund der Amtszeitbeschränkung aufhören musste. Als ich angefragt wurde, ob mich die Stelle des Prorektors Forschung interessieren würde, musste ich daher nicht lange überlegen. Ich möchte gerne dazu beitragen, dass Forschung und Nachwuchsförderung an der Universität Zürich weiterhin möglichst gute Rahmenbedingungen haben und ich glaube auch, dass ich gute Voraussetzungen für diese Aufgabe mitbringe.

Möchte auch weiterhin Zeit haben, ein qualifizierter Ansprechpartner für seine Forschungsgruppe in der Abteilung Membranphysiologie zu sein.

Fällt es Ihnen nicht schwer, die eigene Forschung aufzugeben, um sich ganz dem neuen Amt zu widmen?

Ich möchte und werde die Forschung nicht aufgeben. Als Direktor des Instituts für Physiologie war ich bereits in den vergangenen Jahren nicht mehr sehr oft im Labor tätig. Meiner Forschungsgruppe in der Abteilung Membranphysiologie habe ich aber versprochen, auch weiterhin einen Tag pro Woche für sie Zeit zu haben. Ich möchte ihnen zumindest ein guter Mentor und qualifizierter Gesprächspartner bleiben und die laufenden Nationalfonds-Projekte zum Abschluss bringen helfen.

Wo werden Sie Zeit einsparen für das neue Amt des Prorektors?

Aufgeben werde ich beispielsweise meine Mitarbeit in wissenschaftlichen Gesellschaften, das Direktorium des Instituts für Physiologie und die Leitung des Kompetenzzentrums «Integrative Human-Physiologie». Fortsetzen werde ich lediglich die Mitgliedschaft im Editorial Board eines Journals und die wissenschaftliche Beratung einer internationalen Fachgesellschaft.

Sie möchten zu guten Rahmenbedingungen für Forschung und Nachwuchsförderung an der Universität Zürich beitragen. Was gehört für Sie dazu?

Wir müssen den talentierten Nachwuchs möglichst früh erkennen und ihm innerhalb der thematischen Schwerpunkte der verschiedenen Fakultäten eine eigenständige Laufbahn oder zumindest bestmögliche Startpositionen ermöglichen. Dazu sind weitere PhD-Programme und Graduiertenkollegien wünschenswert. Die jungen Forscherinnen und Forscher sollen frühzeitig «Eigenständigkeit» entwickeln können, Projektverantwortung tragen und sich mit ihren Leistungen dem Fachpublikum präsentieren können.

«Schwerpunkte zu haben, bedeutet nicht, andere und kleinere Themen einfach fallen zu lassen. Auch ausserhalb der so genannten Schwerpunkte erbringen Universitätsangehörige hervorragende Leistungen.»

Sie sprachen von thematischen Schwerpunkten. Muss sich die Universität Zürich in Zukunft vermehrt auf gewisse Themen spezialisieren und andere aufgeben?

Meine Vision ist, dass die Universität Zürich zu den führenden Universitäten der Welt gehört. Ganz besondere Chancen bieten sich unserer Universität unter anderem im Nutzen der Synergien mit der ETH sowie in der Grösse und Stärke unserer medizinischen Einrichtungen. Um eine führende Universität zu sein, ist es sicher nötig, Schwerpunkte zu setzen. Dies ist einerseits mit den universitären Forschungsschwerpunkten bereits initiiert. Andererseits können fakultäre Schwerpunkte und Kompetenzzentren Bereiche sein, in denen uns externe Instanzen wie der Nationalfonds als hervorragend erachten und zum Leadinghouse für Nationale Forschungsschwerpunkte ernennen. Auch dies ist ja bereits mehrfach erfolgt.

Schwerpunkte zu haben, bedeutet allerdings nicht, andere und kleinere Themen einfach fallen zu lassen. Auch ausserhalb der so genannten Schwerpunkte erbringen Universitätsangehörige hervorragende Leistungen. Dies gilt es zu erkennen und zu pflegen, denn daraus können sich künftige Schwerpunkte entwickeln. Ich verstehe die Universität Zürich als eine hoch diversifizierte Institution mit einem breiten Angebot.

Sie hatten in Ihrer akademischen Laufbahn wenig Kontakt zu den Geistes- und Sozialwissenschaften. Wie sehen Sie deren Situation?

(Lacht) Als ehemaliger Klosterschüler bin ich diesen Fächern gegenüber sehr offen und kann mich auch dafür begeistern. Ich habe im Nationalfonds gelernt, wie unterschiedlich die Sichtweisen sein können und auch sein müssen. Ergebnisse aus den Geistes- und Sozialwissenschaften sind beispielsweise weniger leicht evaluierbar, die Anzahl Artikel in einem bestimmten Journal reicht da nicht aus. Es braucht andere Kriterien, um zu zeigen, dass eine historische Forschung genauso wertvoll ist wie eine medizinische Forschung, auch wenn sie vielleicht weniger beachtet wird. Auf schweizerischer Ebene ist der Bedarf an zusätzlichen Anstrengungen für die Geistes- und Sozialwissenschaften ja zum Glück erkannt worden.

Bildung und Forschung haben wie andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens mit knappen öffentlichen Finanzen zu kämpfen. Wie sieht die finanzielle Zukunft der Universität Zürich aus?

Zusätzliche Mittel kann man immer brauchen und sind auch notwendig. Der Nationalfonds hatte für den Zeitraum 2004-2007 geschätzt, dass eine Erhöhung seines Forschungsbudgets um jährlich mindestens zehn Prozent nötig wäre, um den hohen Stand der Forschung zu halten. Das dürfte auch für die Forschung an der Universität Zürich eine sinnvolle Grössenordnung sein.

Eine Forderung, die sich auch verwirklichen lässt?

Für den Nationalfonds liess sich diese Erhöhung im Sparklima nur zu einem kleinen Teil verwirklichen. Was den Kanton Zürich anbelangt, so bin ich zuversichtlich, dass die politischen Behörden unserer Universität auch in Zukunft ein Wachstum ermöglichen werden, auch wenn vielleicht ebenfalls nicht im wünschbaren Ausmass.

Nicht zuletzt ist es auch an den Forschenden selbst, mit guten Forschungsleistungen die Öffentlichkeit und die politischen Instanzen zu überzeugen, dass Investitionen in unseren Hochschulplatz sinnvoll und notwendig sind. Zudem helfen gute Forschungsleistungen auch, Drittmittel anzuwerben.

Zusätzliche Ressourcen hat neben der Forschung auch der Bereich Lehre nötig, etwa um die Betreuungsverhältnisse zu verbessern oder die Bologna-Reform umzusetzen. Gibt es eine Konkurrenz zwischen Forschung und Lehre?

Es darf keine Konkurrenz geben. An einer Universität geht es darum, dass sich Forschung und Lehre im Gleichschritt weiterentwickeln. Der notwendige Mehraufwand für die Lehre darf nicht zu Lasten der Forschung gehen. Mehr Mittel für Professorinnen und Professoren sowie Assistierende als Betreuende heisst letztlich auch mehr Mittel für die Forschung, denn wer im akademischen Unterricht tätig ist, muss auch Gelegenheit haben, in der Forschung tätig zu sein. als Betreuende heisst letztlich auch mehr Mittel für die Forschung, denn wer im akademischen Unterricht tätig ist, muss auch Gelegenheit haben, in der Forschung tätig zu sein.

Wie sollen die Ressourcen innerhalb der Universität verteilt werden?

Die vorhandenen Ressourcen sollen leistungsorientiert verteilt werden. Ich habe dieses Prinzip am Institut für Physiologie eingeführt, als ich 1997 dessen Direktor wurde. Der grösste Teil der Forschungsgelder an unserem Institut wird nach Kriterien vergeben wie etwa: Wie viele Drittmittel kann das Projekt einholen? Wie viele Publikationen konnte das Team bisher platzieren? Dieses leistungsorientierte Prinzip könnte auch in anderen Fachbereichen an der Universität Zürich vermehrt angewandt werden, wobei die bereits erwähnten Unterschiede zwischen den Fachbereichen zu berücksichtigen sind.

Gleichzeitig muss man auch nach Sparpotenzial suchen, zum Beispiel im Bereich der Infrastruktur. Ich muss aber sagen, dass ich noch wenig Einblick in die Notwendigkeit der verschiedenen Abläufe habe. Grundsätzlich muss man sich bewusst sein, dass man nicht Neues schaffen kann, ohne zu fragen, ob alles Vorhandene noch nötig ist.