Navigation auf uzh.ch
Als eine der wenigen Hochschulen kann die Universität Zürich ihren Dozierenden und Studierenden eine selbst entwickelte und breit ausgebaute E-Learning-Plattform anbieten. Das seit 1999 kontinuierlich weiterentwickelte «Online Learning and Training» (OLAT) ist eine eigentliche Erfolgsgeschichte und wird heute als strategisches Learning-Management System (LMS) der Universität campusweit eingesetzt. Fast 10'000 Studierende nutzen die ca. 240 Kurse auf dem System, wie Florian Gnägi, von JGS goodsolutions GmbH und einer der OLAT-Väter, erklärt.
Das System ist modular aufgebaut, so dass es die unterschiedlichsten Bedürfnisse abdecken kann. Wer in OLAT einen Online-Kurs eröffnet, erhält zunächst ein leere Maske, in die er verschiedenste Module nach seinen Wünschen zusammensetzen kann. Häufig wird OLAT begleitend zu den Vorlesungen eingesetzt, als Plattform, auf der die Studierenden Dokumente herunterladen und Selbsttest durchführen können. «Ein empfehlenswertes Vorgehen für OLAT-Einsteiger» erklärt Gnägi.
Wer die Möglichkeiten von OLAT voll ausschöpfen will, muss sich vertiefter mit der Software auseinandersetzen. Dafür bietet OLAT eine breite Palette von Anwendungen: So können beispielsweise Lerngruppen gebildet werden oder Studierende und Dozierende können sich in Foren oder über ein Messaging-System direkt austauschen. Dank der strikten Benutzerverwaltung können Kurse nur bestimmten Studierenden zugänglich gemacht werden, was vor allem in der Medizin wichtig ist, weil dort teilweise mit vertraulichen Daten gearbeitet wird.
Möglich sind auch reine Online-Kurse, in denen das Lernen ausschliesslich über die OLAT-Plattform erfolgt. Dabei können Studierende beispielsweise über Tests Punkte sammeln, die am Schluss in Kreditpunkte umgewandelt werden. Im August wird zudem erstmals eine rekursfähige Prüfung über OLAT abgewickelt.
Die Eigenentwicklung einer E-Learning-Plattform an der Universität Zürich ist aussergewöhnlich. Die anderen Schweizer Universitäten verwenden zumeist kommerzielle E-Learning-Produkte wie WebCT. «Sie blicken manchmal neidisch nach Zürich», stellt Gnägi fest. «Die Flexibilität und die Infrastruktur, die OLAT seinen Benutzern bietet, gibt es sonst nur bei kommerziellen Produkten.»
Die Universität ist deshalb daran interessiert, OLAT als gesamtschweizerische E-Learning-Plattform zu etablieren. «Swiss Virtual Campus (SVC) evaluiert derzeit unser System als mögliche nationale Plattform», erklärt Conrad Steinemann, Co-Leiter von Multimedia and E-Learning Services (MELS) der Informatikdienste der Universität Zürich. Dazu strebt die Universität Zürich eine Zusammenarbeit mit Switch an, dem «Swiss Academic and Research Network», das von den Hochschulkantonen getragen wird.
«Switch könnte für OLAT einen 24-Stunden Support an sieben Tagen pro Woche anbieten», erklärt Steinemann. Die dauernde Verfügbarkeit des Systems ist eine wichtige Anforderung, die der SVC an eine nationale Plattform stellt. Im Gegensatz zu kommerziellen Produkten müssen für OLAT keine Lizenzgebühren bezahlt werden. Da solche Gebühren pro Student und Kurs anfallen, können sich für eine nationale Plattform rasch grosse Beträge summieren.
Technisch ist OLAT bereits jetzt darauf ausgerichtet, dass Angehörige aller Schweizer Universitäten darauf zugreifen können. Als eine der wenigen Applikationen ist die E-Learning-Plattform der Authentication and Authorization Infrastructure (AAI) der Hochschulen angeschlossen. Dies ermöglicht, dass sich beispielsweise Studierende der Universität Bern mit den Zugangsdaten ihrer Universität bei OLAT einloggen können.
Nach Ansicht von Steinemann und Gnägi hat OLAT aus all diesen Gründen gute Chancen, schweizweit als E-Learning-Plattform anerkannt zu werden. «Als Open Source-Projekt steht OLAT derzeit ziemlich konkurrenzlos da», weiss Florian Gnägi. Allerdings drängt seit einiger Zeit mit «Sakai» ein ebenfalls lizenzfreies LMS von den USA nach Europa. «Hinter «Sakai» stehen zwar das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und andere renommierte amerikanische Universitäten. Aber die Entwicklung von «Sakai» steckt noch in den Kinderschuhen und es steht noch weit hinter OLAT zurück», erklärt Gnägi. Beeindruckender als die Software findet er die Marketing-Maschinerie, mit der «Sakai» in Europa lanciert wird.
Um OLAT anderen Hochschulen besser zugänglich machen zu können, haben Gnägi und seine beiden Partner Mike Stock und Felix Jost vor wenigen Monaten eine eigene Firma gegründet. «JGS goodsolutions GmbH» wird als Spin-off der Universität OLAT–Lösungen anbieten. «Eine Open Source-Software kann nur bestehen, wenn es dazu kommerzielle Anbieter für Beratung, Implementation und Support gibt», begründet Gnägi den Schritt in die wirtschaftliche Unabhängigkeit.
Auch für Steinemann ist die Gründung der Spin-off-Firma eine «sehr gute Lösung». Damit das Know-How der drei Hauptentwickler an der Universität bleibt, arbeiten sie noch bis Ende Jahr zu 50% für das OLAT-Projekt und geben ihre Kenntnisse an die anderen Entwickler weiter. Dank dem Know-How-Transfer wird die Universität mit OLAT wie bisher den Dozierenden massgeschneiderte Lösungen anbieten können. «Einer der grossen Vorteile der Eigenentwicklung ist die Kundennähe» erklärt Steinemann. «Wir können sehr rasch und flexibel auf die Bedürfnisse der Dozierenden reagieren und entsprechende Erweiterungen einbauen.»
In den wenigen Monaten seit dem Start stehen bereits einige Interessenten, vor allem aus Deutschland, auf der Kundenliste von «JGS goodsolutions GmbH». Dank dem Spin-off-Vertrag mit der Universität Zürich konnte die Firma ohne Schulden und eigene Investitionen in die Unabhängigkeit starten. «Wir hatten einen Sofa-Start für unser Unternehmen», sagt Jung-Unternehmer Gnägi. «Bisher mussten wir noch nicht einmal aktiv akquirieren, im Gegenteil.» Für die Zukunft ist Gnägi optimistisch, denn: «Der E-Learning-Bereich ist ein Wachstumsmarkt».