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Der Nationalfonds stellt sich am 16. Juni der Universität Zürich in Form einer Informationsveranstaltung vor. Wozu ist es überhaupt nötig, unter Nachwuchskräften für den SNF zu werben?
Dieter Imboden: Wir stehen im Wettbewerb mit der Wirtschaft um die besten Köpfe, dem müssen wir uns stellen. Im Vergleich mit den Lohn- und Karriereaussichten in der Wirtschaft erscheint vielen eine Laufbahn in der Forschung weniger attraktiv. Das wollen wir ändern. Zum Beispiel, indem wir den Studierenden der unteren Semester, die oft noch gar keinen richtigen Begriff von Forschung haben, etwas von der Faszination der Wissenschaft vermitteln.
Welche Akzente werden Sie als Forschungsratspräsident bei der Nachwuchsförderung setzen?
Meine Vorgängerin, Heidi Diggelmann, hat die Nachwuchs- und die Frauenförderung forciert; das werde ich ebenfalls tun. Ich habe mehrfach erlebt, dass die begabtesten Doktorandinnen und Doktoranden in die Wirtschaft abwanderten. Um dies zu verhindern, müssen die Strukturen zur Überbrückung der schwierigen Zeit zwischen Studienabschluss und einer festen akademischen Position verbessert werden. Bestehende Mittel sind die Postdoc- und Advanced-Stipendien sowie die Förderprofessuren. Zudem sind wir daran, Prototypen für Doktorandenschulen auszuarbeiten. Dabei wird auch geprüft, ob und wie Doktorierende der Geistes- und Sozialwissenschaften innerhalb solcher Strukturen ein Salär bekommen könnten. Das Ziel sind grenzüberschreitende Netzwerke, die es Doktorierenden erlauben, mit den besten Fachvertretern der Welt in Verbindung zu kommen. Es ist ja so: Qualität fördert Qualität, gute Leute bringen gute Leute hervor. Gewiss haben viele ein grosses intellektuelles Potenzial; aber was man daraus machen kann, hängt vom Umfeld ab, in dem man drinsteht.
Der 95-köpfige Forschungsrat des SNF muss eine stetig wachsende Flut von Gesuchen bewältigen. Wie stellen Sie sicher, dass tatsächlich die besten Projekte gefördert werden?
Das ist eine Kernfrage, mit der sich der Forschungsrat permanent auseinander setzen muss. Der Nationalfonds folgt mit guten Gründen dem Prinzip der Selbststeuerung der Wissenschaft. Das heisst: Über die wissenschaftliche Qualität und über die Verteilung von Fördergeldern entscheiden Leute, die selbst voll im wissenschaftlichen Leben stehen. Es gibt kein besseres System als dieses – aber auch dieses System hat seine Schwächen. Eine davon liegt in der begrenzten Kapazität der Forschungsräte, die ja nur im Nebenamt für den Nationalfonds tätig sein können. Im Moment überlegen wir, wie sich der Forschungsrat selbst entlasten könnte, ohne dabei etwas von seiner Verantwortung und Entscheidungsgewalt abzutreten. Möglich wäre beispielsweise, Vorarbeiten in der Projektevaluation an externe Gutachter zu delegieren, die im Study-Group-System gemeinsam über mehrere Projekte desselben Fachbereichs diskutieren und dann ein Ranking aufstellen würden, welches dann wiederum dem Forschungsrat als Entscheidungsgrundlage dienen könnte.
Als SNF-Forschungsratspräsident stehen Sie an einer wissenschaftspolitischen Schaltstelle. Was haben Sie sich zu Beginn ihrer Amtszeit auf die Fahnen geschrieben?
Ganz klar: Die Stimme der Wissenschaft muss in der Politik mehr Gehör finden. Dazu brauchen wir eine funktionierende Wissenschaftslobby. Immer wieder kommen Parlamentarier mit der Frage auf mich zu: «Warum habt ihr Wissenschaftler eigentlich keine bessere Lobby? Schaut mal die Bauern an!» Ich finde es wichtig, dass die Hochschulen, der Wissenschaftsrat und der Nationalfonds in Zukunft in der Öffentlichkeit nicht gegeneinander, sondern mit einer Stimme argumentieren. Dies ist auch im Hinblick auf europäische Entwicklungen von Bedeutung. Der Beitrag des Bundes an das 7. EU-Rahmenprogramm, in dem auch der neue European Research Council (ERC) für Grundlagenforschung enthalten ist, steigt ab 2007 wahrscheinlich massiv an. Für einzelne Spitzenforscher ist es gut, sich in einem grösseren, europäischen Verbund messen zu können. Aber diese zusätzlichen Ausgaben dürfen nicht zulasten des SNF gehen. Damit würde man die Forschung in der Schweiz erheblich schwächen. Es ist wie im Fussball: Wenn man in der Champions League mitspielen will, muss man die Nationalliga stärken.
Der Bund hat dem Nationalfonds Ende 2004 ein happiges Sparprogramm verordnet: 50 Millionen Franken mussten in diesem Jahr gestrichen werden, im nächsten sind es 80 und im übernächsten 100 Millionen – und das bei einem jährlichen Budget von etwa 450 Millionen Franken. Welche Forschungsbereiche haben darunter zu leiden?
Vorerst gar keine. Die Gelder, die wir jetzt einsparen müssen, hatten wir ursprünglich für länger laufende Forschungsprojekte zurückgestellt. Im Moment leben wir also vom Tafelsilber. 2008 werden wir es verscherbelt haben. Wichtig ist, was dannzumal passiert – dann werden wir nämlich jährlich 100 Millionen Franken mehr brauchen, um unsere Förderungspolitik so weiterführen zu können wie bisher. Ich arbeite daran, dies den Parlamentariern schon heute klarzumachen. Vielleicht können wir so die geplanten Sparrunden des nächsten und übernächsten Jahres doch noch verhindern.
Dieter Imboden ist 1943 in Basel geboren. Er ist seit 1988 ordentlicher Professor für Umweltphysik und gehört zu den Gründern der Abteilung für Umweltnaturwissenschaften der ETH Zürich, welche er von 1992 bis 1996 leitete.