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Ernst-Jung-Preis an Ernst Hafen

Professor Ernst Hafen, Direktor des Zoologischen Instituts der Universität Zürich und designierter Präsident der ETH Zürich, erhält den diesjährigen Ernst-Jung Preis für Medizin. «unipublic» wollte wissen, weshalb ein Zoologe einen der bedeutendsten Medizinpreise erhält und wie Ernst Hafen seine Zukunft als ETH-Präsident sieht.
Interview: David Werner

Der diesjährige Preis der Hamburger Ernst-Jung Stiftung für Wissenschaft und Forschung geht zu gleichen Teilen an Ernst Hafen und F. Ulrich Hartl vom Max-Planck-Institut für Biochemie, Abteilung Zelluläre Biochemie in München-Martinsried. Hafen habe in herausragender Weise die Genetik der Fruchtfliege Drosophila benutzt, um zu neuen, allgemein gültigen Erkenntnissen über biologische Signalkaskaden zu gelangen, heisst es in der Begründung der Stiftung. «Seine Forschung zeigt in eindrucksvoller Weise, wie das Studium von Modellorganismen zu medizinisch hochrelevanten Ergebnissen führt: die von ihm aufgedeckten Signalwege spielen entscheidende Rollen in der Entstehung von Krebs und Diabetes und beeinflussen wahrscheinlich auch beim Menschen die Alterung und das Lebensalter.»

Ernst Hafen

unipublic: Herr Hafen, möchten Sie hundertdreissig Jahre alt werden?

Ernst Hafen: Nein, da habe ich andere Ziele.

Aber Sie wissen doch, wie man es anstellen müsste, so alt zu werden.

Ja, einfach weniger essen, fdH, wie der Volksmund sagt. Durch kalorische Restriktion kann man die Lebensspanne um 30 Prozent erhöhen, das hat man anhand von Ratten, Mäusen und Affen herausgefunden. Ich esse allerdings viel zu gern, um deswegen Diäten einzuhalten.

In Ihrer Forschung untersuchen Sie unter anderem den Zusammenhang zwischen Energiestoffwechsel und Alterungs- bzw. Wachstumsprozessen. Worin besteht dieser Zusammenhang?

Bei Nahrungszufuhr wird Insulin aus der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet. Das Insulin dient als Signal für alle Muskel-, Fettgewebe- oder Hirnzellen, dass jetzt Zucker im Blut ist, der aufgenommen werden muss. In Hungerphasen, wenn kein Insulin ausgeschüttet wird, aktivieren die Zellen Schutzmechanismen, die es ihnen erlauben, länger ohne Nahrung auszukommen und so länger zu überleben. Bei der heutigen Ernährungsweise wird ständig zu viel Nahrung aufgenommen. Darauf sind die Zellen viel weniger vorbereitet. Es kommt zu Fettleibigkeit und Diabetes.

Halluzinierende Zellen

Sie erhalten den Ernst Jung Preis aufgrund Ihrer Verdienste für die Humanmedizin, Sie sind aber Zoologe. Wo liegt die medizinische Relevanz Ihrer Forschung?

Das grundlegende biologische Problem, dem wir auf die Spur zu kommen versuchen, lautet: Wie sprechen Zellen miteinander? Die Kommunikationsmechanismen zwischen den Zellen sind bei allen Organismen sehr ähnlich, ob das nun Insektenzellen oder menschliche Zellen sind. Wir haben deshalb versucht, anhand des einfachen Modellorganismus Drosophila der Ursache bestimmter menschlicher Krankheiten auf den Grund zu kommen. Das war Anfang der Neunzigerjahre noch sehr neu und revolutionär.

Ziemlich revolutionär wirkt auch Ihre Erkenntnis, dass Krebs und Diabetes, zwei auf den ersten Blick so verschiedene Krankheiten, eng miteinander verwandt sind.

Ja, diese Verwandtschaft wird immer offenkundiger. Bei beiden Krankheiten geht es um genetische Fehler bei der Regulation des Energiestoffwechsels. Es sind die gleichen Signalprozesse, die jeweils eine Rolle spielen. Beim Typ 1 Diabetes produziert der Organismus kein Insulin mehr, man muss es dann spritzen. Beim viel häufigeren Typ 2 Diabetes, den man früher Altersdiabetes nannte, wird Insulin zwar produziert, aber die Zellen können es nicht mehr erkennen. Beim Krebs ist das genaue Gegenteil der Fall: Die Zellen nehmen Insulin wahr, ohne dass welches da ist, sie halluzinieren gewissermassen. Die Zellen erhalten also laufend Wachstumssignale und fangen entsprechend zu wuchern an. Wir konnten zeigen, dass diese Mechanismen der Energiestoffwechselregulation bei Fliege und Menschen genau gleich sind. Unsere Forschung hat deshalb eine gewisse medizinische Relevanz. Ich möchte aber betonen, dass sich das alles ganz im Rahmen der Grundlagenforschung bewegt.

Die Erforschung der Drosophila-Fliege ermöglicht auch grundlegende Erkenntnisse über menschliche Zellfunktionen.

Überleben als Unternehmer

Ausserhalb der Universität arbeiten Sie jedoch daran, Ihre Grundlagenforschung auch anwendbar zu machen – im Rahmen der von Ihnen mitbegründeten Biotech-Firma «The Genetics Company».

Die Spin-Off-Firma heisst so, weil wir an der Fliege die wichtigen genetischen Elemente identifizieren, die an Krankheitsprozessen beteiligt sind. Wir haben 30 Mitarbeiter - die meisten davon sind Akademiker. Standort ist das Biotech-Zentrum in Schlieren. Der bisher grösste Erfolg ist, dass es die Firma nach sieben Jahren überhaupt noch gibt. Es ist ungeheuer schwierig, eine Firma wie die unsere über längere Zeit hinweg zu finanzieren. Für die Entwicklung eines Medikamentes braucht man mindestens zehn Jahre – Kapital kann man aber in der Regel nur für fünf Jahre auftreiben. Für die restlichen fünf Jahre entsteht bei vielen Spin-Off-Firmen ein Loch. Wir haben im Februar unsere dritte Finanzierungsrunde mit 25 Mio Franken geschafft, es hat aber sehr viel Mühe gekostet.

Werden Sie sich vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen auch als ETH-Präsident für den Technologietransfer einsetzen?

Das werde ich, gerade weil ich am eigenen Leib erfahren habe, wie schwer es ist, forschungsbasierte Spin-Off-Firmen zum Erfolg zu führen. Dabei ist es ungeheuer wichtig, als Forscher möglichst unabhängig die Entwicklung eines Produkts vorantreiben zu können. Wer sein Projekt gänzlich über Risikokapital finanzieren muss, kann keine langfristige Entwicklung garantieren. Wir müssen deshalb innerhalb der Universitäten überlegen, wie man die Finanzierungsmöglichkeiten von Spin-Off-Firmen über die Förderagentur für Innovationen (KTI) oder die verschiedenen Fonds noch verbessern kann. Das ist eine wichtige Aufgabe für die Zukunft.

Wie wird eigentlich garantiert, dass Forscher, die an der Universität tätig sind und gleichzeitig Spin-Off-Firmen betreiben, ihre Kapazität nicht einseitig in ihre Firmenprojekte stecken - auf Kosten der universitären Grundlagenforschung?

Wir haben eine Rechtslage, die das sehr präzise regelt. Wenn beispielsweise zwei Doktorierende eine Spin-off-Firma gründen wollen, dann bleiben die Forschungsresultate, die sie nutzbar zu machen versuchen, geistiges Eigentum der Universität. Wenn die Firma dann mal floriert, wird auch die Universität davon profitieren.

Grundlagenforschung pflegen

War Ihre Erfahrung als Co-Unternehmer mit verantwortlich dafür, dass Sie Lust bekommen haben, Präsident der ETH zu werden?

Nein, ich habe bei «The Genetics Company» nur in sehr geringem Masse eigentliche Management-Aufgaben übernommen. Aber ich habe erfahren, wie schwierig es ist, in einem wirtschaftlichen Umfeld und in Abhängigkeit von externen Kapitalgebern Forschung zu betreiben. Vor diesem Hintergrund ist mir klar geworden, wie ungeheuer wichtig es ist, die Grundlagenforschung an den Hochschulen zu pflegen. Den eigentlichen Ausschlag für meinen Entscheid, das Amt des ETH-Präsidenten anzunehmen, gaben aber die Erfahrungen, die ich in verschiedenen Gremien der Universität Zürich gesammelt habe. Es begann damit, dass ich Vertreter der MNF-Fakultät im Universitätsverein wurde, damals hiess er noch Hochschulverein. Ich habe auf diese Weise erstmals auch in andere Fakultäten hineingesehen und realisiert, wie gross die Kultur-Unterschiede zwischen den Fakultäten sind. Noch intensiver gestaltete sich der Kontakt zu den verschiedenen Fakultäten, als ich Vertreter der Professorenschaft im Universitätsrat wurde. Innerhalb meiner eigenen Fakultät habe ich mich immer besonders für Wissenschaftsorganisation interessiert. Und schliesslich habe ich auch ein genaues Bild von der gesamtschweizerischen Forschungslandschaft bekommen – als Forschungsrat im Schweizerischen Nationalfonds. All diese Erfahrungen möchte ich ins neue Amt einbringen.

Wie haben Ihre Mitarbeiter auf die Nachricht reagiert, dass Sie ETH-Präsident werden?

Sie waren zunächst überrascht, haben aber dann die Nachricht sehr gut aufgenommen. Die Kollegen am Institut und an der Fakultät haben unglaublich sympathisch und bewegend reagiert: Auf der einen Seite tut ihnen der Verlust leid, auf der anderen Seite sehen sie natürlich auch die Vorteile, die es der Universität bringen kann, wenn ich jetzt Präsident der ETH werde. Die Gruppe meiner Doktorierenden werde ich an die ETH mitnehmen, ich werde allerdings keine neuen Doktorierenden mehr einstellen, die Gruppe wird also kleiner werden.

Weiterforschen trotz ETH-Präsidium

Allzuviel Kapazitäten, um weiterhin Forschung zu betreiben, werden Sie als ETH-Präsident wohl nicht mehr haben...

Die Frage hat mich im Vorfeld meiner Wahl sehr beschäftigt. Ich habe mich bei einigen Leuten informiert, die in ähnlichen Situationen sind, so zum Beispiel beim Präsident der Rockefeller-University. Er hat mir versichert, dass man in so einem Amt nicht auf Forschung verzichten müsse; er leitet seine Forschungsgruppe noch immer – sie ist einfach etwas kleiner als zuvor. Diesen Weg werde auch ich gehen. Ich denke, die Tuchfühlung mit dem Forschungsgeschehen und der Kontakt zur Basis, zu den Studierenden und Doktorierenden, ist für einen ETH-Präsidenten sehr wichtig. Ausserdem finde ich meine Forschung natürlich immer noch sehr spannend.

Werden Sie als ETH-Präsident die Kooperation zwischen ETH und Universität noch stärken?

Das ist eines meiner Ziele. Ich werde damit aber nur einer Tendenz folgen, die seit einigen Jahren ohnehin besteht, denken Sie nur an die Gründung von Life-Science-Zurich mit all den PhD-Programmen und Kompetenzzentren: Da lebt die Zusammenarbeit von der Basis her, und das kann man noch verstärken. Es ist wichtig, dass Studierende und Forschende vom Gesamtangebot von ETH und Universität profitieren können.

Zum Schluss noch eine Frage zum Ernst-Jung Preis: Wissen Sie schon, was Sie mit der Preissumme von 125'000 Euro anfangen werden?

Als erstes werde ich eine Party für meine Mitarbeiter finanzieren, denn sie haben ja ganz wesentlich zum Erfolg beigetragen. Ansonsten soll das Geld für neue Forschungsprojekte eingesetzt werden.

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