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Wahre Bescheidenheit zeigt sich auch darin, dass man sich an die selbst auferlegte Redezeitbeschränkung von 30 Minuten hält und den Rest der Zeit auf die Fragen der Anwesenden eingeht. So sah es jedenfalls einer der Zuhörer am Vortrag von Friedensnobelpreisträgerin Jody Williams vom Dienstag in der Aula der Universität Zürich. «Ich bin nicht auf dem Weg zur Heiligsprechung und will auch gar nicht dorthin kommen», wehrte Williams in ihrem tatsächlich nur 30-minütigen Referat einen übertriebenen Rummel um ihre Person ab.
Die Vorstellung, dass sie die Frau sei, die im Alleingang die Welt von den Landminen befreie, sei zwar schön «und macht meine Mutter stolz», habe aber nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun, so Williams. Vielmehr sei sie nur eine von zehntausenden von engagierten Bürgerinnen und Bürgern auf der ganzen Welt, die der Landminenkampagne zum Erfolg verholfen haben. Statt über die Rolle der Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) bei der nachhaltigen Abrüstung - dem eigentlichen Thema – sprach Williams denn auch lieber von der Rolle jeder und jedes Einzelnen für die Schaffung einer besseren Welt.
Jeder kann die Welt verändern, wenn er sich nur hartnäckig für seine Sache engagiert, so lautete die Quintessenz der Aktivistin. Wer sich nur über Missstände beklage, aber nichts dagegen unternehme, der vergeude nur ihre Zeit, habe ihr die irische Friedensnobelpreisträgerin Betty Williams einmal gesagt. Auch für Jody Williams macht «emotion without action» keinen Sinn.
Sie sei ein einfaches Mädchen aus einem 1200-Seelen-Dorf, das Lehrerin oder Krankenschwester werden wollte, sagte Williams. Aber es könne ihr nicht gleichgültig sein, wie ihr gesellschaftliches und politisches Umfeld ist. «Schweigen ist Komplizenschaft», so Williams. Wer für sich die Menschenrechte in Anspruch nehmen wolle, der müsse auch Verantwortung für die Menschenrechte übernehmen.
Heftig fiel in dieser Beziehung ihre Kritik an der US-Regierung von Präsident George W. Bush aus: «Ich verstehe nicht, wie auch nur ein Mitglied dieser Regierung glaubwürdig über Menschenrechte und Sicherheit sprechen kann», angesichts der Invasion in Irak, die ohne völkerrechtliche Legitimation und auf der Grundlage von Lügen unternommen worden sei.
Williams lehnt auch die Interpretation von Sicherheit ab, mit der die Bush-Regierung ihren «Kampf gegen den Terror» begründet. «Wenn wir eine nachhaltige Welt wollen, dann müssen wir zu einem anderen Verständnis von Sicherheit kommen», ist Williams überzeugt. Die Bewaffnung und Militarisierung der Welt sei der falsche Weg zur Sicherheit. «Echte Sicherheit gibt es nur, wenn die elementaren Bedürfnisse aller Menschen gedeckt sind.»
Weshalb gerade die Kampagne zur Ächtung von Landminen im Gegensatz zu anderen NGO-Kampagnen derart erfolgreich wurde, kann sich Williams auch nicht erklären. «Ich weiss es nicht», lautet die einfache Antwort auf eine entsprechende Frage. Wichtig sei sicher die Zusammenarbeit zwischen Vertretern der Zivilgesellschaft, der Staaten, der UNO und dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes gewesen. Sie ermöglichte es, dass 1997, nur fünf Jahre nach der Gründung der International Campaign to Ban Landmines (ICBL) durch Williams, ein Internationales Abkommen zur Ächtung von Landminen unterzeichnet wurde.
«Viele Menschen meinen, alle Guten sind immer in den NGO und alle Schlechten in den Regierungen und in der Wirtschaft. Das ist eine romantische Vorstellung», so Williams. Erfolgreiche Arbeit der NGO sei nicht möglich ohne die Regierungen. «Denn nur die Regierungen unterzeichnen Abkommen, nur die Regierungen erlassen Gesetze, nur die Regierungen können Gesetze durchsetzen». Dass es aber umgekehrt das Engagement von NGO braucht, um politische Entwicklungen voranzutreiben, das bestätigte der im Publikum anwesende frühere Bundesrat und Aussenminister Flavio Cotti aus eigener Erfahrung: «Ohne den Dialog – ja den Druck – der NGO hätte die Schweiz das Landminenabkommen nicht als eines der ersten Länder unterzeichnet.»
So sehr der Erfolg der Landminenkampagne und die Ehrung durch den Nobelpreis für Williams Grund ist, stolz zu sein, so macht ihr die Verantwortung, die sie sich aufgebürdet hat, manchmal auch beinahe Angst. «Der Nobelpreis ist eine unglaubliche Last», meint Williams: «Manchmal möchte ich einfach nach Hause gehen und Äpfel pflücken.» Doch diese Gedanken sind jeweils schnell wieder verscheucht. Denn die Last ist für Jody Williams auch Lust und noch längst sind nicht alle Minen aus den Böden geräumt.