Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

 

Aus dem Schatten ans Licht

Der hohe Publikationsdruck unter Wissenschaftlern führt unter anderem dazu, dass Autorenzeilen von Artikeln immer länger werden. In einem Podiumsgespräch unter dem Titel «Publish or Perish» diskutierten Forscherinnen und Forscher aus dem Bereich Life Sciences über die Rolle der Ko-Autoren und die Qualitätsbewertung wissenschaftlicher Veröffentlichungen.
Lydia Farago

Wie einfach hatte es noch René Descartes! «Er schrieb seine Erkenntnisse nieder und setzte nur den eigenen Namen darunter», leitete Prof. Alexander Borbély, Prorektor Forschung an der Universität Zürich, die von Life Science Zurich veranstaltete Diskussion «Publish or Perish» ein. Heute dagegen beteiligten sich mitunter über hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an einem Projekt; entsprechend lang sind auch die Autorenzeilen unter den Publikationstiteln.

Auch ist es mit einem einzigen Paper nicht mehr getan. Denn ein erfolgreicher Wissenschaftler muss sein Berufsleben lang Leistungsbeweise in Form von Veröffentlichungen bringen. Diese müssen zudem in möglichst hochwertigen Journals mit hohem Impactfaktor wie «Nature» oder «Science» erscheinen.

Die Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer (v.l.n.r.): Prof. Nikolaus Amrhein, Prof. Duilio Arigoni, Prof. Annette Oxenius, Prof. Thomas Lüscher, Prof. Alexandra Trkola und Prof. Heini Murer.

Doch ist eine grosse Anzahl von Publikationen tatsächlich ein Ausweis für die Qualität einer wissenschaftlichen Leistung? Wie bewertet man lange Autorenzeilen? Und sind Impactfaktoren ein objektiver Massstab für die Evaluation der Arbeit von Forscherinnen und Forschern? Diese Fragen diskutierten die sechs Gesprächsteilnehmerinnen und Gesprächsteilnehmer, die zusammen die beachtliche Anzahl von 1531 Publikationen vorzuweisen haben.

Messbare Qualität

Einig waren sich alle über die Schwierigkeit, den Beitrag einzelner Ko-Autoren an einem Paper einzuordnen. Schon die Reihenfolge der Namen auf einer Autorenliste ist wichtig. «Die wichtigsten Autoren werden in der Regel immer ganz am Anfang und ganz am Ende aufgeführt», sagte Thomas Lüscher, Leiter der Kardiologie am Universitätsspital Zürich. An erster Stelle steht häufig der Jungforscher, der einen Grossteil der Arbeit geleistet hat, an letzter der Mentor, der Geld und intellektuelles Umfeld zur Verfügung stellt. Mit Positionen in der Mitte der Liste werden Wissenschaftler bedacht, die in anderer Weise substantiell zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben.

Doch wenn mehrere Wissenschaftler an einer interdisziplinären Arbeit gemeinsam geforscht haben und jeder einen wichtigen Beitrag geleistet hat, wer soll dann an erster Stelle aufgeführt werden? Ein verschiedentlich gewählter, aber wissenschaftlich unlauterer Ausweg aus der Situation ist, dieselbe Publikation in leichten Variationen mit jeweils wechselnder Autorenzeile herauszubringen.

Teamwork statt Einzelleistung

«Moderne Wissenschaft ist Teamwork», meinte Alexandra Trkola vom Departement für Innere Medizin am Universitätsspital. Die Gewichtung des ersten Platzes auf der Autorenliste wirkt deshalb heute antiquiert. In der modernen interdisziplinären Forschung ist es kaum möglich, einen einzelnen Autor auf ein Podest zu heben und dabei die Leistungen der anderen Mitarbeiter einer Gruppe zu übersehen.

Die Rechte des Mittelfelds

Aber es ist nicht nur die Interdisziplinarität: In den modernen Life Sciences geht der Trend zu gross angelegten Projekten, an denen viele Forschergruppen beteiligt sind. Annette Oxenius vom Institut für Mikrobiologie an der ETH Zurich sprach sich für eine bessere Anerkennung relevanter wissenschaftlicher und technischer Beiträge der Forschenden aus. Wünschenswert wäre auch, dass alle Ko-Autoren die gesamte Arbeit besser kennen. So müsste jeder Autor das Paper präsentieren und verteidigen können, erklärte Oxenius.

Verschiedene Bewertungsansätze

Weshalb dieses System, in dem die Anzahl der Publikationen über die Laufbahn eines Wissenschaftlers bestimmt, so wichtig werden konnte, darauf wusste keiner der Teinlehmenden eine Antwort. Andere Bewertungskriterien werden dabei fast in den Hintergrund gedrängt. Ein interessanter Vorschlag kam aus dem Publikum. Anstatt sich auf das Produkt Zahl der Paper mal Impactfaktor zu konzentrieren, könne man auf das Urteil von Peers viel mehr Wert legen und dafür weniger publizieren. Diesem Ansatz hielten mehrere Diskussionsteilnehmer entgegen, dass dabei die Objektivität leicht verloren gehen könne.

Zur Beurteilung der Wissenschaftler müsse eine Kombination von mehreren Faktoren herangezogen werden. Neben der Anzahl Papers als Erstautor, bzw. zuletzt genannter Autor und der Qualität der Journals in denen publiziert wurde, sollten auch der Ruf der Person im wissenschaftlichen Umfeld, die Anzahl der hervorgebrachten Assistenzprofessuren, Doktoren und Habilitationen sowie die Anzahl und Qualität der abgeschlossenen Projekte berücksichtigt werden.

Pessimistisch sahen die Gesprächsteilnehmer die Lage jedoch nicht. «Forschen und die eigene Arbeit publizieren zu können, sollte eine Leidenschaft sein», meint am Ende Thomas Lüscher. «Sie ist eine Stütze, um in diesem System zu überleben.» Descartes - Wissenschaftler aus Leidenschaft – hätte diese Aussage sicher gerne unterschrieben.

Weiterführende Informationen