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Outsourcing und Offshoring – Gefahr oder Chance?

Immer mehr Firmen lagern Teilbereiche ihrer Wertschöpfung an Dritte aus oder verlegen ganze Produktionsstätten ins kostengünstigere Ausland. Der 6. Schweizer Ökonomentag widmete sich den Vor- und Nachteilen von diesem Outsourcing und Offshoring. Organisiert wurde die Tagung von der Gesellschaft der Zürcher Ökonominnen und Ökonomen, einer Alumni-Vereinigung der Universität Zürich.
Brigitte Blöchlinger

Wissenschaft und Sozialpartner diskutieren über die Vor- und Nachteile von Outsorcing und Offshoring: 6. Schweizer Ökonomentag am 4. März.

Eigentlich hätte der ehemalige Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel am 4. März im Auditorium Maximum der ETH Zürich die Einführung in den 6. Schweizer Ökonomentag halten sollen. Doch da Köppel sich bekanntlich an «Die Welt» in Berlin «offgeshort» hat, kam es wegen anderweitiger Verpflichtungen nicht dazu und Bernd Schips, emeritierter Professor der ETH Zürich, sprang in die Lücke.

Sinnigerweise betonte Bernd Schips denn auch, dass die Schweiz ohne gut ausgebildete Arbeitskräfte im globalen Wettbewerb nicht bestehen könne. Was das mit Outsourcing und Offshoring zu tun hat, wurde im Folgenden an der Tagung klar: Ohne excellente Ausbildungsstätten kein excellentes Humankapital, ohne gutes Humankapital mehr qualifizierte Fremdleistungen, die eingekauft werden müssen, und weniger Möglichkeiten, fremde Märkte zu erschliessen und mehr Gewinn zu machen – was die beiden Hauptmotive für Offshoring sind.

Professorin Dalia Marin von der Universität München sieht im Outsorcing und Offshoring nach Osteuropa keine Gefahr für die westlichen Länder. Auch die Erfahrungen von economiesuisse-Präsident Ueli Forster sind «durchwegs positiv».

Liberalisierte Einwanderung von Hochqualifizierten

Exzellentes Humankapital - gut ausgebildete Kaderleute - ist jedoch seit den 90er Jahren in Deutschland und in Österreich rar gesät, gab Prof. Dalia Marin von der Universität München zu bedenken. So sind denn auch nicht die westlichen Industrienationen die grössten Outsourcer, sondern Angola und Zypern - eine weitgehend unbekannte Tatsache.

Marin ging der Frage nach, ob das Outsourcing und Offshoring nach Osteuropa eine Gefahr für die westlichen Nachbarn bedeute. Sie verneinte die Frage und erklärte das damit, dass die Mutterunternehmen dank der billigen Produktion im Ausland den gesamtenOutput erhöhen könnten, dadurch im globalen Wettbewerb besser dastünden und sogar die Arbeit im Heimland steigern könnten.

Doch da in Deutschland und Österreich seit den 90er Jahren eine eigentliche Humankapitalkrise herrsche und vor allem Ungarn, Russland und die Ukraine reicher an Humankapital seien,offshoren die westlichen Nationen heute vor allem hochqualifizierte (Skill-)Aktivitäten wie etwa Forschung. Zur Lösung dieses Problems plädierte Marin dafür, die Hochqualifizierten zu «importieren», das heisst, die Einwanderung zu liberalisieren, wie es zum Beispiel in Irland der Fall ist.

«Es lohnt sich»

Ueli Forster, Präsident der economiesuisse und Vorsitzender der Geschäftsleitung des Stickereiunternehmens Forster Rohner AG in St. Gallen, plädierte wenig überraschend für verstärkte Auslandinvestitionen von Schweizer Unternehmen – es lohne sich. Seine Erfahrungen mit Outsourcing und Offshoring nach Österreich, Rumänien und China seien durchwegs positiv. Dass die rumänische Zweigstelle mit denselben Maschinen nur halb so viel produziert wie die chinesische – mit solchen Sonderbarkeiten müsse man sich abfinden, erzählte Forster.

Nichtsdestotrotz ist die Dynamik im Ausland um einiges grösser als in der Schweiz. «Es ist unglaublich, wie lernbegierig die Fachkräfte in Rumänien und China sind», sagte Forster. Auch die Akademiker dort seien gut ausgebildet, der Rückfluss der Gewinne in die Schweiz entsprechend hoch.

Gemäss Michael Paravicini (Zurich Financial Services) scheitert die Hälfte der Outsorcing-Versuche. Eine sorgfältige Vorbereitung erhöhe die Erfolgschancen.

Ängsteder Mitarbeitenden

Etwas verhaltener äusserte sich Michael Paravicini, Informationstechnologiechef von Zurich Financial Services.«50 Prozent der Outsourcing-Versuche scheitern», mahnte er. Werden sie allerdings sorgfältig vorbereitet und würden nicht sofort Einsparungen erwartet, so seien die Erfolgschancen höher. «Als Technologiechef nehmen Sie die Worte Outsourcing und Offshoring besser nicht in den Mund, das schürt nur Ängstebei den Mitarbeitern.» Die hiesigen Angestellten befürchteten vor allem, dass ihr Arbeitsplatz verschwinde oder dass die Arbeit weniger interessant werde.

Im IT-Bereich muss vorsichtig outgesourced werden, betonte Paravicini, es darf nicht alles ausgelagert werden, da sonst zu viel Know-how verloren geht. Bei der völlig disparat organisierten IT-Infrastruktur der Zurich Financial Services wurden erst die Rollen und Funktionen evaluiert, die im Hause bleiben sollten. Ziel war es, dass jeder Mitarbeiter (s)eine (neue) Arbeit behalten sollte. Die Aufgabe jedoch, die völlig uneinheitliche, weit verstreute Computertechnologie zu vereinheitlichen, wurde erfolgreich outgesourced und führte zu Einsparungen in zweistelliger Millionenhöhe.

Outsorcing und Offshoring gegenüber weniger abgeneigt als erwartet: Dr. Serge Gaillard vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (rechts). Links: Bernd Schips, emeritierter Professor der ETH Zürich, als Tagungsmoderator.

Vollbeschäftigung macht Strukturwandel bewältigbar

Gar nicht so abgeneigt dem Outsourcing und Offshoring gegenüber, wie man das vermutet hätte, gab sich Dr. oec. publ. Serge Gaillard, Geschäftsleitender Sekretärdes Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Er stellte die Frage, was das Auslagern für die Wirtschaftspolitik bedeute. Als Vorbemerkung gab er zu bedenken, dass nicht die Globalisierung, sondern die rasante Entwicklung in der Technologie die Arbeit in den letzten Jahrzehnten am stärksten verändert habe – und insbesondere in der industriellen Produktion weitgehend auch erleichtert habe. Monotone Fliessbandarbeit wurde weitgehend automatisiert; die Arbeit ist tendenziell für viele interessanter geworden, führte Gaillard aus.

Wanted: Faire Arbeitsbedingungen hier und im Ausland

Gerade in schwachen Jahren habe die Schweizer Industrie von Exporten profitiert; das Wachstum der Schwellen- und Entwicklungsländer stabilisiere auch die Wirtschaft in der Schweiz. Wichtig sei jedoch eine Politik, die Vollbeschäftigung anstrebe, denn der Strukturwandel sei nur mit Vollbeschäftigung unproblematisch zu bewältigen. Als kleines Land, das nicht in der EU ist, müsse die Schweiz an offenen Märkten und Schutz vor Diskriminierungen interessiert sein. Die anstehenden Abstimmungen zu Schengen und der Ausweitung der Personenfreizügigkeit seien deshalb wichtig.

Das Ausbildungssystem müsse ständig an den Strukturwandel angepasst werden – womit sich der Kreis zu den einführenden Voten von Schips schloss. Der Wettbewerb dürfe nicht zu Lasten der tiefen Löhne gehen, deshalb sei ein Gesamtarbeitsvertrag mit Mindestlöhnen erforderlich. Ebenso seien faire Arbeitsbedingungen und das Einhalten ethischer Grundsätze in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu unterstützen.

An der abschliessenden Diskussion war vor allem die Frage nach den Verlierern interessant. Und führte zum ersten Mal zu wirklichen Meinungsverschiedenheiten. Marin widersprach Gaillard: Nicht die «einfachen» Arbeiter seien in Deutschland die eigentlichen Verlierer, sondern die Gutausgebildeten fänden seit neuerem keine Stelle. Immer und überall scheint dieGleichung «Gute Ausbildung= gute Arbeit» halt doch nicht aufzugehen.

Brigitte Blöchlinger ist unipublic-Redaktorin.