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Wer von Prof. Rüdiger Wehner spricht, der kommt nicht an der afrikanischen Wüstenameise 'Cataglyphis' vorbei und umgekehrt. Seit 35 Jahre widmet der Neurobiologe sein Forscherleben dem Orientierungssinn diesen in der Wüste Tunesiens lebenden Tieren. Er konnte eindrücklich zeigen, dass auch die nur ein zehntel Milligrammschweren Kleinstgehirne dieser Insekten phänomenale Leistungen vollbringen können: 'Cataglyphis' sucht im Umkreis von 200 Meter um seinen Bau nach Beutetieren, die den grossen Hitzestress in der Wüste nicht überlebt haben. Wehner fand beispielsweise heraus, dass die Tiere die gelaufenen Winkel und Wegstrecken arithmetisch aufsummieren, um nach dem Streifzug auf kürzestem Weg ins Nest zurückzufinden. Das polarisierte Licht der Sonne dient ihnen dabei als Richtungskompass. Zusätzlich orientieren sie sich aber auch an optischen Landmarken. Für seine Arbeiten erhielt Wehner zahlreiche Preise, unter anderem im Jahr 2002 den renommierten Marcel-Benoist-Preis.
Der Jubilar stammt ursprünglich aus Nürnberg und war lange Jahre Direktor des Zoologischen Instituts der Universität Zürich. Sein Nachfolger wird Prof. Ernst Hafen, der auch das Geburtstags-Symposium «From Animal Minds To Human Mind» vom Samstag organisiert hat. Er wünschte sich von den eingeladenen Rednern, dass sie spekulieren. Diesem Wunsch folgte Prof. Ralph Greenspan aus dem Neuroscience Institute in San Diego wohl am meisten. Sein Vortrag stand leicht augenzwinkernd unter dem Moto: «Hat die Fruchtfliege ein Bewusstsein (und wer sind wir denn, dies zu beurteilen)?» Insekten seien nicht einfach eine Art Automaten, wie dies häufig angenommen werde, so Greenspan. Auch wenn sich die Gehirne in der Struktur stark von Wirbeltieren unterscheiden würden, hätten sich ähnliche Funktionen entwickelt. Die Tiere haben beispielsweise nicht einfach nur Ruhephasen mit wenig Aktivität sondern einen echten Schlaf. Doch trotz solcher Analogien kann Greenspan natürlich dieFrage nach dem Bewusstsein der Tiere nicht beantworten.
Einer, der sein Forscherleben wie Wehner in erster Linie einer Tierart gewidmet hat, ist Prof. Marc Konishi vom Caltech in amerikanischen Pasadena. Viele der Resultate seiner Arbeiten über die Orientierung bei Schleiereulen sind inzwischen in fast jedem Biologielehrbuch zu finden. Der in den Vereinigten Staaten lebende Japaner beschäftigt sich schon seit den 1960er Jahren damit, wie die Eulen in absoluter Dunkelheit Mäuse an ihren Geräuschen präzise orten können. Ein Trick dabei ist, dass der Nachtvogel seine Ohren nicht symmetrisch sondern leicht versetzt angeordnet hat. Dadurch kann er sein Beutetier in allen Richtungen genau orten. Konishi konnte zeigen, wie das Eulengehirn die zeitlich und räumlich versetzte Wahrnehmung des Schalls verarbeitet. Er ist überzeugt, dass das, was er bei den Eulen gefunden hat auch auf den Mensch zutrifft. Bei dieser Annahme wird er durch psychologische Studien beim Menschen unterstützt.
Nicht mit dem Gehör sondern den Augen befasst sich Prof. Eric Warrant aus dem schwedischen Lund. Seine Forschungsobjekte sind zur Zeit der Schwertfisch und die Buttermakrele. Die Tiere seien kommerziell als Speisefisch wichtig, über ihre Lebensweise wisse man jedoch wenig, erklärt Warrant. Beide Fische leben in der Nacht an der Oberfläche und tauchen am Tag bis zu 600 Meter in die Tiefe. Das bedeutet, dass sie immer schlechte Lichtverhältnisse vorfinden. Hinzu kommt, dass es in der Tiefe sehr kalt ist, was auch die optische Verarbeitung beeinträchtigt. Der Schwertfisch kann deshalb – so wie einige andere Fische auch – seine Augen mit einem speziellen Muskel aufheizen. Der Buttermakrele ist dies nichtmöglich. Aufgrund der unterschiedlichen Augenanpassung der beiden Tiere, schloss Warrant auf ihre Lebensweise. Er vermutet, dass die Buttermakrele nachts an der Oberfläche jagt und am Tag in die Tiefe taucht, um sich auszuruhen. Anders der Schwertfisch: Dieser jagt tagsüber in der Tiefe und ruht sich nachts an der Oberfläche aus.
Fünf weitere renommierte Wissenschaftler aus Europa, Indien und den USA aus den Gebieten der Psychologie, der Neurologie, der Verhaltensbiologie und der Neurogenetik sprachen über verschiedene Aspekte tierischer Gehirne – immer jedoch mit einem Auge auch auf den Menschen. Angesichts des hochkarätigen Symposiums wird kaum jemand daran zweifeln, dass sich Rüdiger Wehner auch nach der Emeritierung als Universitätsprofessor weiter der Forschung widmen und dort neue Impulse liefern wird.