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Neutral den Frieden fördern

Bundesrätin Micheline Calmy-Rey referierte am 13. Januar in der Aula der Universität Zürich über die Bedeutung der Neutralität für die Schweiz. Sie möchte diese einsetzen, um zu einer gerechteren Welt im Sinne des Völkerrechts beizutragen - auch im Interesse der Schweiz.
Adrian Ritter

Möchte die Neutralität so einsetzen, dass wir in Sicherheit und Frieden leben können: «Dies ist aber nur möglich, wenn um uns herum auch Frieden herrscht». Bundesrätin Micheline Calmy-Rey an ihrem Vortrag in der Aula der Universität Zürich.

Neutralität – ein aktuelles Thema? Durchaus, meinte Aussenministerin Calmy-Rey und berichtete in ihren Ausführungen auch davon, wie die Schweiz gerade als neutrales Land immer wieder um Vermittlung beispielsweise bei Konflikten angefragt werde: «Als Land ohne imperiale und koloniale Vergangenheit sind wir international besonders glaubwürdig.»

In der Schweizer Bevölkerung erachte gemäss Meinungsumfragen nur eine Minderheit die Neutralität als altmodisch und verstaubt. Eine grosse Mehrheit wolle die Neutralität beibehalten. Diese nehme einen Spitzenplatz als Identitätsmerkmal der Schweiz ein - sogar noch vor der direkten Demokratie.

Revolutionäre Absage an den Krieg

Dass sich die Schweiz im 16. Jahrhundert nach der Schlacht von Marigniano für die Neutralität entschieden habe, sei rückblickend betrachtet eigentlich als «revolutionär» zu bezeichnen. Es war der Entscheid, die nationalen Interessen niemals mit militärischer Gewalt durchzusetzen, sondern sich höchstens bei einem Angriff zu verteidigen: «Wie hätte sich die Welt wohl entwickelt, wenn andere Länder dem Krieg auch abgeschworen hätten?» Sie sei auf jeden Fall überzeugt, dass die Neutralität die Schweiz in der Vergangenheit vor potentiellen Konflikten verschont und den nationalen Zusammenhalt garantiert habe.

Die moderne Neutralität umfasst dabei im Kern folgende Regeln: Neutrale Länder dürfen erstens nicht an einem Krieg teilnehmen oder andere Länder mit Truppen unterstützen. Zweitens darf das Staatsgebiet nicht für militärische Zwecke zur Verfügung gestellt werden und drittens darf ein neutraler Staat keiner Militärallianz beitreten:«Hingegen gibt es keine Regel, wie wir uns im Frieden zu verhalten haben.» Calmy-Rey plädierte daher für eine «aktive Neutralität», die mit den Mitteln des Völkerrechts, der zivilen Friedensförderung und der Menschenrechte versucht, Konflikte zu verhindern oder zu schlichten.

Es gelte, die Neutralität so einzusetzen, dass wir «in Sicherheit und Frieden leben können. Dies ist aber nur möglich, wenn um uns herum auch Frieden herrscht». Der Einsatz für eine stabile, gerechte und sichere Weltordnung sei dabei nicht nur eine Frage der Nächstenliebe, sondern beispielsweise auch im Interesse unserer stark auslandabhängigen Wirtschaft und somit der Arbeitsplätze.

Das Völkerrecht als Basis der Aussenpolitik. Die UNO habe sich als «bestes System der kollektiven Sicherheit» erwiesen, so Micheline Calmy-Rey.

Unparteiisch auf der Seite des Rechts

Sich dafür zu engagieren, dass die Menschenrechte und das Völkerrecht eingehalten werden, sei kein Widerspruch zur Neutralität: «Wir stellen uns nicht auf die Seite der einen oder anderen Partei, sondern auf die Seite des Rechts.»Als das beste System der kollektiven Sicherheit habe sich die UNO erwiesen. Auch mit der Vollmitgliedschaft sei es aber jedem Land freigestellt, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob es an militärischen Aktionen zur Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit teilnehmen will.

Beim Apéro im Lichthof: Die Aussenministerin beantortet Fragen und nimmt Glückwünsche entgegen. Im Referat hatte sie erwähnt, dass gemäss Meinungsumfragen eine grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung die Neutralität beibehalten will.

Auch im Hinblick auf eine mögliche Mitgliedschaft in der EU wies die Aussenministerin darauf hin, dass bereits heute verschiedene neutrale Länder Mitglied der EU sind, ohne dass sie ihre Neutralität deswegen aufgeben mussten. Auch die Schweiz könnte sich bei einem Beitritt auf ihre Neutralität berufen oder allenfalls versuchen, eine «permanente Ausnahmeregelung» bezüglich der Neutralität zu erlangen.

Die Neutralität könne auf der diplomatischen Ebene ein «komparativer Vorteil» sein, was auch die jüngste Vergangenheit an den Beispielen Indonesien und Sri Lanka gezeigt habe: «Das internationale Engagement der Schweiz wird gesucht und geschätzt.» So habe sich auch die EU-Kommission anlässlich der Verhandlungen über die Bilateralen II über die Aktivitäten der Schweiz auf dem Balkan und die «Genfer Initiative» informieren wollen. Betreffend Genf wünscht sich die Bundesrätin ohnehin, die Stadt zur «humanitären Hauptstadt der Welt» zu machen.