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Neutralität – ein aktuelles Thema? Durchaus, meinte Aussenministerin Calmy-Rey und berichtete in ihren Ausführungen auch davon, wie die Schweiz gerade als neutrales Land immer wieder um Vermittlung beispielsweise bei Konflikten angefragt werde: «Als Land ohne imperiale und koloniale Vergangenheit sind wir international besonders glaubwürdig.»
In der Schweizer Bevölkerung erachte gemäss Meinungsumfragen nur eine Minderheit die Neutralität als altmodisch und verstaubt. Eine grosse Mehrheit wolle die Neutralität beibehalten. Diese nehme einen Spitzenplatz als Identitätsmerkmal der Schweiz ein - sogar noch vor der direkten Demokratie.
Dass sich die Schweiz im 16. Jahrhundert nach der Schlacht von Marigniano für die Neutralität entschieden habe, sei rückblickend betrachtet eigentlich als «revolutionär» zu bezeichnen. Es war der Entscheid, die nationalen Interessen niemals mit militärischer Gewalt durchzusetzen, sondern sich höchstens bei einem Angriff zu verteidigen: «Wie hätte sich die Welt wohl entwickelt, wenn andere Länder dem Krieg auch abgeschworen hätten?» Sie sei auf jeden Fall überzeugt, dass die Neutralität die Schweiz in der Vergangenheit vor potentiellen Konflikten verschont und den nationalen Zusammenhalt garantiert habe.
Die moderne Neutralität umfasst dabei im Kern folgende Regeln: Neutrale Länder dürfen erstens nicht an einem Krieg teilnehmen oder andere Länder mit Truppen unterstützen. Zweitens darf das Staatsgebiet nicht für militärische Zwecke zur Verfügung gestellt werden und drittens darf ein neutraler Staat keiner Militärallianz beitreten:«Hingegen gibt es keine Regel, wie wir uns im Frieden zu verhalten haben.» Calmy-Rey plädierte daher für eine «aktive Neutralität», die mit den Mitteln des Völkerrechts, der zivilen Friedensförderung und der Menschenrechte versucht, Konflikte zu verhindern oder zu schlichten.
Es gelte, die Neutralität so einzusetzen, dass wir «in Sicherheit und Frieden leben können. Dies ist aber nur möglich, wenn um uns herum auch Frieden herrscht». Der Einsatz für eine stabile, gerechte und sichere Weltordnung sei dabei nicht nur eine Frage der Nächstenliebe, sondern beispielsweise auch im Interesse unserer stark auslandabhängigen Wirtschaft und somit der Arbeitsplätze.
Sich dafür zu engagieren, dass die Menschenrechte und das Völkerrecht eingehalten werden, sei kein Widerspruch zur Neutralität: «Wir stellen uns nicht auf die Seite der einen oder anderen Partei, sondern auf die Seite des Rechts.»Als das beste System der kollektiven Sicherheit habe sich die UNO erwiesen. Auch mit der Vollmitgliedschaft sei es aber jedem Land freigestellt, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob es an militärischen Aktionen zur Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit teilnehmen will.
Auch im Hinblick auf eine mögliche Mitgliedschaft in der EU wies die Aussenministerin darauf hin, dass bereits heute verschiedene neutrale Länder Mitglied der EU sind, ohne dass sie ihre Neutralität deswegen aufgeben mussten. Auch die Schweiz könnte sich bei einem Beitritt auf ihre Neutralität berufen oder allenfalls versuchen, eine «permanente Ausnahmeregelung» bezüglich der Neutralität zu erlangen.
Die Neutralität könne auf der diplomatischen Ebene ein «komparativer Vorteil» sein, was auch die jüngste Vergangenheit an den Beispielen Indonesien und Sri Lanka gezeigt habe: «Das internationale Engagement der Schweiz wird gesucht und geschätzt.» So habe sich auch die EU-Kommission anlässlich der Verhandlungen über die Bilateralen II über die Aktivitäten der Schweiz auf dem Balkan und die «Genfer Initiative» informieren wollen. Betreffend Genf wünscht sich die Bundesrätin ohnehin, die Stadt zur «humanitären Hauptstadt der Welt» zu machen.