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«Zwischenstaatliches Geben und Nehmen» war das Thema des Referates von Bundesrat Merz. Es fand anlässlich der Veranstaltungsreihe «Nachhaltige Politik und ihre Probleme» des Schweizerischen Instituts für Auslandforschung am 3. November in der Aula der Universität Zürich statt.
Bundesrat Merz ging in seinen Ausführungen von der Feststellung der wachsenden weltweiten Aufgabenverteilung aus. Die Globalisierung der Wirtschaftmüsse angesichts dieser Entwicklung «eigentlich zwingend und vermehrt von einer Internationalisierung der Politik begleitet sein».
Die bestehenden Gremien wie WTO, IWF und G-7 seien aber bisher nicht in der Lage gewesen, das ordnungspolitische Vakuum zu füllen. Nötig wäre eine globale Wettbewerbsordnung, in welcher auch humane, soziale und ökologische Ziele integriert sind: «Sonst riskieren wir menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, Löhne unter dem Existenzminimum und krassen Raubbau an der Natur.»
Die Schweiz sei verglichen mit anderen europäischen Ländern zwar noch immer in einer «etwas vorteilhafteren Situation». Eine relativ tiefe Staatsquote, die höchste Jahresarbeitszeit, die geringste Anzahl Streiktage und weitere Besonderheiten der Schweiz resultierten in der höchsten Gesamtproduktivität.
Trotzdem sei ein Bedeutungsverlust des Werkplatzes Schweiz zu beklagen. Viele Unternehmen seien zuerst nach Osteuropa, Fernost und neuerdings nach China abgewandert. Die Schweiz müsse sich auf eine weitere Ausdünnung ihres Werkplatzes zulasten von Billiglohn- und Entwicklungsländern ausrichten. Schon heute erzielten bloss noch fünf Branchen 80 Prozent der Exporteinnahmen: Uhrenindustrie, Pharma, Tourismus, Maschinenindustrie und der Finanzplatz. «Diese fünf Trümpfe dürfen wir nicht leichtfertig verlieren», so Merz. Für die Schweiz als Kleinstaat sei dabei umso wichtiger, den Zugang zur Weltwirtschaft und Völkergemeinschaft zu haben.
Wie aber soll ein solcher Kleinstaat seine Interessen durchsetzen? Gemäss Merz gilt es, drei Strategien zu verfolgen. Wichtig sei erstens, die eigenen Stärken zu pflegen und auch auszuspielen: «Die Schweiz verfügt über einen hohen Bildungsstandard sowie einen international respektablen Wirtschafts-, Forschungs- und Finanzplatz.»
Zweitens biete sich eine Strategie des «Gebens und Nehmens» an. Das Nehmen als Profitieren von den Märkten der Welt sei mit dem Geben in Form der aktiven Mitarbeit in internationalen Organisationen wie UNO, OECD und Europarat verbunden. «Keine dieser Organisationen verlangt als Opfer die Preisgabe der eigenen Souveränität. Aber alle erwarten zu Recht, dass wir mitmachen». Eine Mitgliedschaft in der EU erachtet Merz nicht als entscheidend. Die nötigen Zugänge könne man sich mit bilateralen Verträgen sichern.
Als dritte Strategie für einen Kleinstaat sieht Merz die «schlaue Diplomatie». Dazu gehöre, sich mit Umsicht, Kreativität und Selbstbewusstsein in den «oft unübersichtlichen internationalen Gefilden» zu bewegen. Im Sinne der Neutralität sei es zudem angezeigt, sich «stets aus fremden Händeln zwischen souveränen Staaten herauszuhalten».
Diese drei Strategien seien auch bei den Verhandlungen zu den Bilateralen II angewendet worden. Die Schweiz habe ihre Kooperation beispielsweise beim Thema Bildung aus einer Position der Stärke anbieten können. Durch die Verknüpfung aller neuen Dossiers habe das Geben und Nehmen im Gleichgewicht behalten werden können. «Und durch unser schlaues Angebot einer Zahlstellensteuer konnten wird den Informationsaustausch verhindern und damit das Bankgeheimnis sichern.»
Bundesrat Merz liess es sich nicht nehmen, auch über das zwischenkantonale Geben und Nehmen innerhalb der Schweiz zu sprechen – um Werbung zu machen für die Neugestaltung des Finanzausgleiches. Das Gesetz aus dem Jahre 1959 sei «rundum verstaubt». Eine verstärkte Entflechtung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen sei ebenso nötig wie die Neuregelung der Ausgaben.
Der Bund sollte mehr Verständnis zeigen für die wirtschaftsstarken Kantone wie Zürich und diese «Lokomotiven nicht behindern», wurde der Bundesrat aus dem Publikum aufgefordert. Merz gab zu bedenken, dass der Kanton Zürich im Vergleich zu anderen Kantonen auch stark vom Bund profitiere: etwa durch die Finanzierung der ETH oder durch jährliche Beschaffungen des Bundes im Kanton Zürich in der Höhe von 1.3 Mia. Franken – im Kanton Bern kaufe der Bund erstaunlicherweise nur für 600 Mio. Franken ein.