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cogito-Preis an Prof. Ernst Fehr

Der Homo oeconomicus erhält menschliche Züge

Ernst Fehr ist Verhaltensökonom mit internationalem Renommee, ein Rädelsführer der «psychologischen Wende» in der Ökonomie und einer der ersten, die erfolgreich Neuroökonomie betreiben. Am Mittwoch, 20. Oktober 2004, wurde er für seine Forschung mit dem cogito-Preis ausgezeichnet.
Thomas Gull

War immer ein Oppositionsgeist: der mit dem cogito-Preis ausgezeichnete Ökonomieprofessor Ernst Fehr von der Universität Zürich.

Es war ein grosser Tag für Ernst Fehr, Urs Fischbacher, Dominique de Quervain: Am 27. August 2004 publizierte das renommierte Wissenschaftsjournal «Science» eine Studie des Trios über die neuronale Basis altruistischen Verhaltens alsTitelgeschichte. Fehr und Fischbacher vom Institut für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Zürich und der Hirnforscher Dominique de Quervain von der Abteilung Psychiatrische Forschung konnten mit einem Experiment im Positronenemissionstomografen (PET) nachweisen, dassbei altruistischer Bestrafung das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert wird. Damit war, heureka!, die «Rache-ist-süss»-Hypothese der Ökonomen neurobiologisch abgestützt. Fehr und Fischbacher hatten aufgrund wirtschaftswissenschaftlicher Experimente die Hypothese aufgestellt, die Bestrafung der Verletzung sozialer Normen löse bei den Bestrafenden Befriedigung aus. Der Blick ins Hirn bestätigte ihre These.

Goldgräberstimmung in der Neuroökonomie

Die Studie der Zürcher Forscher schaffte es nicht zufällig auf die Titelseite von «Science». Denn die Zusammenarbeit von Ökonomen und Hirnforschern eröffnet als «Neuroökonomie» neue, aufregende wissenschaftliche Perspektiven: «Wir können mit Hilfe der bildgebenden Verfahren die neuronalen Grundlagen sozialer Interaktion erforschen», kommentiert Fehr und fügt euphorische hinzu: «Es herrscht Goldgräberstimmung.» Fehr selbst hat bereits weitere Projekte in der Pipeline.

Als Neuroökonom der ersten Stunde leistet Ernst Fehr einmal mehr Pionierarbeit. Der gebürtige Vorarlberger gehört bereits zu den treibenden Kräften der «Psychologischen Wende» in der Ökonomie, die die Integration psychologischer Erkenntnisse in die Wirtschaftswissenschaft gebracht hat. Was sich auf Anhieb harmlos anhört, ist nichts weniger als eine Revolution. Denn Fehr und seine Kollegen definieren den Homo oeconomicus, das Modell des ökonomisch handelnden Menschen, neu. Dieser ist nicht mehr nur der vollkommen rationale Nutzenmaximierer, er erhält menschliche Züge.

Der emotionale Homo oeconomicus

Obwohl viele der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse auf inszenierten Rollenspielen basieren, handelt es sich dabei nicht einfach um Spielereien im Elfenbeinturm: «Die traditionelle Ökonomie hat sich nicht um die Emotionen und die konkreten Ziele der Menschen gekümmert», erklärt Fehr in einem Interview, das in der aktuellen Ausgabe des «unimagazins» (3/04) veröffentlicht wurde, «wir können zeigen, dass Ökonomen in wichtigen Bereichen falsch prognostizieren, wenn sie die Emotionen ausser acht lassen. Sie machen systematische Fehler, die man in Experimenten nachweisen kann. Das war vor zehn Jahren noch nicht möglich.»

«Ich war immer ein Oppositionsgeist»

Trotz bedeutender Erfolge haben Verhaltensökonomen wie Fehr in ihrer Zunft keinen leichten Stand: «Gerade in der Ökonomie sind die Widerstände unserem Ansatz gegenüber noch erheblich.» Fehr ficht das nicht an. «Ich war immer ein Oppositionsgeist. Mir gefällt es zu provozieren.» Als «Oppositionsgeist» hat sich der Professor für Mikroökonomik und experimentelle Wirtschaftsforschung und Direktor des Institutes für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Zürich noch einiges vorgenommen: «Eines meiner Ziele ist, die Fundamente meines Faches anders zu legen. Das heisst, gewisse – schlecht gebaute – Pfeiler durch neue – solider gebaute – Pfeiler zu ersetzen», proklamiert er ohne falsche Bescheidenheit. Von den fundamentalen Umwälzungen in seinem Fach verspricht sich Fehr schlussendlich eine «bessere, relevantere Ökonomie».

Für seine bahnbrechende Forschung wurde Ernst Fehr in diesem Jahr zusammen mit dem Zoologen Prof. Alex Kacelnik von der Universität Oxford (UK) mit dem cogito-Preis 2004 ausgezeichnet. Die Preisverleihung findet am 20. Oktober an der Universität Zürich statt. Einen Bericht dazu finden Sie in den nächsten Tagen auf unipublic.

Thomas Gull ist «unimagazin»-Redaktor.