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Fotoreportage

Eine Ausstellung rührt ans Herz

Wer ihre Geschichte nicht kennt, merkt ihr die schwere Erkrankung nicht an: Lea ist mit einem Herzfehler zur Welt gekommen. Der Fotograf Christian Wyss hat das heute fünfjährige Mädchen vom ersten Lebenstag an begleitet. Im Kinderspital Zürich und zu Hause. Entstanden ist eine einfühlsame Bildreportage. Das Museum Bärengasse zeigt sie.
Sascha Renner

Lea nach der Operation. Es geht ihr zwar deutlich besser, eine neue Infusion ist trotzdem noch notwendig.

Eigentlich sollte es ein Andenken für die Eltern werden, Freunde des Fotografen. Als Christian Wyss die neugeborene Lea zum ersten Mal fotografierte, ahnte noch niemand, dass das Mädchen mit einem schweren Herzleiden zur Welt gekommen war. Doch noch am selben Tag musste das Kind per Ambulanz ins Kinderherzzentrum des Universitäts-Kinderspitals Zürich verlegt werden. Dort stellte man fest, dass die rechte Seite von Leas Herz nicht in der Lage war, das Blut in die Lungen zu pumpen. Ihr Kreislauf musste in mehreren Schritten umgebaut werden.

An manchen Tagen nur zwei Bilder

Fotograf Christian Wyss war bei alledem hautnah dabei und bleibt trotzdem unsichtbar. Mit der notwendigen Sensibilität findet er stets das richtige Mass an Nähe und Distanz. Die selbst auferlegte Beschränkung – nur mit dem vorhandenen Licht zu arbeiten – gibt seinen fünfzig Schwarzweissaufnahmen einen zurückhaltenden, stimmungsvollen und ungekünstelten Ausdruck. Jegliche Sensationslust liegt ihm fern. «Es gab Augenblicke, da musste ich die Kamera zur Seite legen», gestand Wyss, als er kürzlich mit umgehängter Leica durch seine Ausstellung im Museum Bärengasse führte.

Christian Wyss, Autor der Fotoreportage «Halbes Herz - ganzes Leben» (rechts), und Dr. Urs Bauersfeld, Leiter des Kinderherzzentrums am Universitäts-Kinderspital Zürich.

Trotzdem erschüttern manche Aufnahmen. Wenn Lea auf der Intensivstation liegt, angeschlossen an vielerlei Sensoren und Schläuche inmitten von Hightech-Gerät. Eine andere Fotografie – drei Schwestern kümmern sich nach der Operation um das Kleinkind – lässt erkennen, mit wie viel Menschlichkeit und Professionalität das Spitalpersonal seine Aufgabe wahrnimmt. «Ich war beeindruckt, wie ruhig es im Operationssaal zuging», erklärte Wyss vor einem Bild, das ein Chirurgenteam bei der Arbeit zeigt. Die Konzentration dieses Augenblicks fängt Wyss in einer meditativen Aufnahme ein.

Aufklärung und Hoffnung für Betroffene

Das Interesse des Fotografen endet nicht an der Spitaltüre. «Ich wollte zeigen, dass das Kind ein beinahe normales Leben führen kann.» So sehen wir Lea vor dem Weihnachtsbaum, mit einem Kerzen geschmücktem Geburtstagskuchen oder beim Seifenblasen pusten. «Diese Bilder sollen den Eltern Hoffnung machen», so Wyss.

Dr. Urs Bauersfeld, Leiter des Kinderherzzentrums am Universitäts-Kinderspital Zürich, sieht in der Dokumentation überdies ein wertvolles Aufklärungsinstrument: «Die Eltern wissen so, was auf sie zukommt. Das schafft Vertrauen und nimmt die Angst.» Bauersfeld und sein Team haben das Fotoprojekt deshalb von Anfang an unterstützt. Wyss erhielt Zugang zu allen Räumlichkeiten, konnte uneingeschränkt fotografieren. So entstand gleichzeitig ein Dokument über einen wegweisenden Gesundheits- und Wissenschaftsbetrieb, der internationale Anerkennung auf dem Gebiet der Kinder-Kardiologie geniesst.

Morgens um sechs im Haupteingang des Unispitals Zürich: Lea vor der zweiten grossen Operation.

Herzleiden werden in der Regel mit dem Alter und ungesunder Lebensweise in Verbindung gebracht. Dass aber gerade die Jüngsten eine grosse Gruppe der Herzkranken darstellen, ist wenig bekannt. In der Schweiz leiden 700 bis 800 Kinder zum Zeitpunkt ihrer Geburt an einem Herzfehler. Noch vor 25 Jahren hätten viele davon das Erwachsenenalter nicht erreicht. Dank medizinischer Fortschritte überleben heute 85 Prozent der Betroffenen. Viele davon führen gar ein Leben ohne gravierende Einschränkungen. Zu ihnen gehört auch Lea. Sie lacht, spielt und lebt wiealle anderen Kinder ihres Alters. Einzig beim Sport und beim Toben kann sie nur begrenzt mithalten.

Illustrierte Kulturgeschichte des Herzens

Die kulturhistorische Einbettung der Fotografien geschieht derweil in einem zweiten Ausstellungsteil, der so genannten «Wunderkammer». Sie zeigt unterschiedlichste «Herzstücke» aus früheren Zeiten – vom barocken Herzpokal bis zur ersten Herz-Lungenmaschine, einem beeindruckenden Monstrum aus Eisen und Glasröhren. Zahlreiche der witzigen, merkwürdigen und grausigen Exponate stammen aus der reichhaltigen Sammlung des Medizinhistorischen Instituts und Museums der Universität Zürich.

Ausstellungsinfo

«Halbes Herz – ganzes Leben», bis 31. Dezember, Di bis So 10.30 bis 17 Uhr. Museum Bärengasse, Bärengasse 20–22 Zürich, Telefon 01 211 17 16.

Sascha Renner ist Redaktor unipublic und unijournal.

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