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Im Hörsaal ist es dunkel. Aus dem «Off» hört man die blecherne Stakkatostimme eines Screenreaders: «Grafik, senkrechter Strich, Grafik, unipublic». Wenn die Zuhörer nicht wüssten, dass hier die Homepage der Universität Zürich «vorgelesen» wird, wäre es unmöglich, sich zu orientieren.
Kommunikation in der Informationsgesellschaft erfolgt zunehmend überdas Internet. Es sollte daher allen Menschen zugänglich sein - auch solchen mit Behinderungen. Dies war Thema des WWW-Workshops 2004, der von den Weboffices der Universität Zürich und der ETH Zürich organisiert wurde. Rolf Probala, Leiter der Corporate Communications der ETH Zürich und Roger Stupf, Leiter unicom Online der Universität Zürich, wiesen beim Begrüssen der rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die Aktualität des Workshop-Themas Accessibility (Zugänglichkeit) hin. Seit Beginn dieses Jahres müssen nämlich - laut Schweizer Gesetzgebung - Internetdienstleistungen des Bundes und der Kantone für Sprach-, Hör- und Sehbehinderte sowie motorisch Behinderte zugänglich gemacht werden.
Olga Meier-Popa von der Beratungsstelle für Studierende mit Behinderung an der Universität zeigte danach, wie zum Beispiel Menschen mit eingeschränktem Sehfeld, dem so genannten Rohrblick, oder mit grauem Star ein Formular auf dem Web wahrnehmen. Grundkenntnisse über die verschiedenen Behinderungen seien eine Voraussetzung für die Gestaltung behindertengerechter Websites, so Meier-Popa. Auch Judith Hollenweger von der Pädagogischen Hochschule Zürich, die eine Studie des Nationalfondsprojektes zur Situation Behinderter und chronisch Kranker an Schweizer Universitäten vortrug, betonte, dass bei der Planung von neuen Websites an Behinderte gedacht werden müsse. Oft sei die Bereitschaft zwar da, aber das Fachwissen fehle.
Andreas Rieder, Gleichstellungsbeauftragter des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung der Menschen mit Behinderung, erläuterte das juristische Umfeld. Nach dem, seit dem 1.1.2004 gültigen Gleichstellungsgrundsatz müssen staatliche Dienstleistungen für alle Bürger gleich zugänglich sein. Dies sei Ausdruck eines Paradigmenwechsels in der Rechtssprechung meinte Rieder. Früher habe man die Behinderung einer Person als deren individuelles Defizit eingestuft. Heute wird Behinderung als mangelnde Rücksichtnahme auf spezifische Bedürfnisse gewertet. Wolle zum Beispiel ein Gehbehinderter ins Theater und käme wegen der Treppe nicht hinein, so liegt dies nicht am Behinderten, sondern am fehlenden Lift. Nach neuem Recht können Behinderte die Beseitigung von Benachteiligungen einklagen. Staatliche Anbieter von Webseiten, wie die Universität Zürich und die ETHZ, müssen in Zukunft ihr Internetangebot für Behinderte zugänglich machen - und das binnen nützlicher Frist.
Im zweiten Teil der Veranstaltung wurde es konkret: Kathrin Stärk von der Abteilung unicom Online der Universität hatte auf einer Website Informationen und Anleitungen für eine barrierefreie Webgestaltung zusammengestellt. Dort sieht man, wie ein Farbenblinder ein buntes Bild wahrnimmt oder man erfährt, dass Webbilder mit einem unsichtbaren Begleittext versehen werden müssen, damit der Screenreader das Bild in Worte fassen kann. Das Bild der zukünftigen Feriendestination benötigt folglich den Text: Sandstrandmit Palme.
René Jaun testet als Blinder Webseiten im Auftrag der Stiftung «Zugang für alle». Er zeigte anhand des Online-Vorlesungsverzeichnisses der ETH Zürich, wie schwierig es ist, nur hörend den Web-Weg zur gesuchten Veranstaltung zu finden. So sei es frustrierend, wenn kurz vor dem Ziel - gerade wurde mühsam die richtige Auswahl in einem Drop-Down-Menu getroffen - die Seite wegen eines JavaScripts neu geladen werde: Der Screenreader beginnt dann wieder, die Seite von Anfang an vorzulesen.
Thomas Lanter, ein weiterer Tester der Stiftung «Zugang für alle», ist stark sehbehindert. Er muss die Webseite mit einer «digitalen Lupe», einer für Sehbehinderte entwickelten Software, sehr stark vergrössern, damit er etwas lesen kann. Froh sei er, wenn eine Webseite starke Kontraste aufweise, denn das sorge für bessere Lesbarkeit. Lanter demonstrierte an einem Webformular, wie schwierig es für ihn ist, dieses auzusfüllen.
Markus Riesch, technischer Leiter der Stiftung «Zugang für alle» stellte die Ziele und Tätigkeiten der Institution vor. Er warnte auch vor allzu grossen Erwartungen in automatische Accessibility-Tests im Web: «Kein Tool kann die Vielfalt der Ansprüche simulieren». Die Behinderten-Tauglichkeit von Webseiten testet man am besten mit behinderten Personen.