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Akademischen Karriere

Voll auf Wissenschaft setzen und gleichzeitig eine Alternative pflegen

«Wandel im Profil einer Professur» hiess die ProWiss-Veranstaltung letzten Dienstag abend an der Universität Zürich. Trotz harter Fussballkonkurrenz fanden sich doch einige Interessierte ein. Sie wollten wissen, wie sie ihren Berufswunsch Professur am geschicktesten realisieren könnten.
Brigitte Blöchlinger

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Moderatorin Sigrid Viehweg führte kompetent durch die ProWiss-Diskussion an der Universität Zürich.

«Wer von Ihnen liebäugelt mit einer akademischen Karriere?», fragte die Moderatorin der Podiumsdiskussion, Dr. Sigrid Viehweg Schmid, das anwesende Publikum zu Beginn des Abends. Rund ein Drittel der Hände flog nach oben und demonstrierte damit, dass der akademischeNachwuchs die Lektion gelernt hatte: Heute steht man zu seinen Ambitionen und gibt dies rechtzeitig zu verstehen. Die Mehrheit der Anwesenden befand sich nämlich noch auf Lizentiats- und Doktoratsstufe – was offensichtlich kein Hinderungsgrund darstellt, sich rechtzeitig kundig zu machen, wie der Weg nach ganz oben aussieht

Martina Zölch engagiert sich u. a. für das Mentoringprojekt «Mephista» für Frauen an Fachhochschulen.

Visionen und Realität

Die drei Gesprächsteilnehmer/innen auf dem Podium ihrerseits widerspiegelten die harte Realität: Nur gerade der Mann unter ihnen, Nobert Thom, war ordentlicher Professor an einer Universität (Bern); die beiden geladenen Frauen, Katharina von Salis und Martina Zölch, trugen zwar den Professorinnentitel, waren jedoch (noch) nicht auf eine ordentliche Professur berufen worden. Nichtsdestotrotz schienen sie zufrieden mit der errungenen Position.

Katharina von Salis war Oberassistentin mit Professorinnentitel an der ETH Zürich.

«Der Liebe wegen» umgezogen

Katharina von Salis ist pensionierte Titularprofessorin für Mikropaläontologie am Geologischen Institut der ETH; während ihrer aktiven Karrierezeit bewies die Mutter dreier Töchter höchste Flexibilität: Die Familie zog in 25 Jahren elf mal um und arbeitete unter anderem in Kopenhagen, Paris und Zürich. Statt ihre Karriere zielstrebig zuverfolgen, liess sich von Salis 1965 von der Liebe lenken und wechselte wegen ihres Mannes von der ETH Zürich nach Kopenhagen. International gesehen, konnte sie sich gut in ihrem Fach etablieren, war jedoch in der Schweiz schlecht vernetzt, wie sie auf dem Podium erzählte: «Hätte ich eine ordentliche Professur angestrebt, hätte ich mich besser in der Schweiz vernetzen müssen.»

Norbert Thom, u. a. Direktor des Instituts für Organisation und Personal an der Universität Bern und Unternehmensberater.

«Voll draufsetzen»

Anders Norbert Thom, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Direktor des Instituts für Organisation und Personal an der Universität Bern. «Ich muss das im Nachhinein zugeben», antwortete er auf die Frage, ob er seine Karriere zielstrebig geplant habe. Er habe den geraden Weg beschritten, kam über Dissertation und Habilitation (über «Personalentwicklung als Instrument der Unternehmensführung») zur ordentlichen Professur und Leitung eines Instituts, baute sich bewusst frühzeitig ein zweites Standbein als privater Unternehmensberater auf und wurde schliesslich auch ein gefragter Consulter für Verwaltung und Wirtschaft und ein viel geladener Referent seines Gebietes. «Die Doppelstrategie, sich eine Alternative aufzubauen, und gleichzeitig voll auf Wissenschaft zu setzen, hat sich bewährt», betonte Thom, der sich ausserdem als Vernetzungskünstler bezeichnete.

«Leitideen für sich entwickeln»

Die zweite Professorin auf dem Podium, Martina Zölch, Dozentin für Human Resources Management an der Fachhochschule Solothurn-Nordwestschweiz, hatte «keinen Masterplan», wie sie erzählte. Siestudiertein Berlin Psychologie, wo sie sich bei ihrem Abschluss, 1986, mit neunhundert arbeitslosen Fachkollegen konfrontiert sah. Doch verfolgte sie verschiedene Leitideen für sich – war sich zum Beispiel sicher, dass sie forschen und sich mit den neuen Technologien beschäftigen wollte. Bewusst arbeitete sie in verschiedenen Instituten, um verschiedene Wissenschaftskulturen kennenzulernen. Im Laufe ihrer Karriere spezialisierte sie sich auf technische und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge. Ihre Habilitation schreibt sie über Teilzeitarbeit für Führungskräfte.

Aussichten auf die Professur von morgen

Die zentrale Phase des Podiums galt schliesslich der Frage, wie die ordentliche Professur von morgen aussehe. Sie sei ein Fünfkampf und werde neben Forschung und Lehre eine permanente Selbst- und Fremdevaluation beinhalten, führte Norbert Thom aus, will heissen: «Das Ganze wird immer schärfer überwacht.» Projekte zu akquirieren und entsprechende Drittmittel einzuholen, würden noch wichtiger werden. «Weiter ist eine Publikationsnachverwertung enorm wichtig», betonte er, «Netzwerke sind unabdingbar.» Führungskompetenzen (zum Beispiel: Wie motiviere ich High Potentials?) gehören ebenso zu den Berufungsanforderungen wie Selbstverwaltungsfähigkeiten. Schliesslich Dienstleistung nach aussen «mit einer ganz scharfen Kundenorientierung, Prozessorientierung, Qualitätsmanagementorientierung.»

Niemand werde in diesem Fünfkampf perfekt sein können, schlussfolgerte Thom, was für den anwesenden Mittelbau nach den geschilderten Maximalanforderungen ein schwacher Trost war.

Eine gewisse Relativierung kam von Seiten der Vertreterin der Fachhochschule. Martina Zölch gab zu bedenken, dass die Profile an einer Fachhochschule deutlich heterogener als an Universitäten seien. An Fachhochschulen könne man sich auf die Lehre spezialisieren (entweder in der Weiter- oder in der Ausbildung), es gebe aber auch Dozierende wie sie selbst, die ihren Schwerpunkt in der Forschung hätten. Und schliesslich gebe es Dozierende, die vor allem in der Beratung und Weiterbildung tätig seien.

Wie sieht die Professur von morgen aus? Auch das Publikum hatte Zeit, über diese Frage zu diskutieren.

Siebenkampf statt Fünfkampf

Die Professur von morgen sei kein Fünf-, sondern ein Siebenkampf, meinte Katharina von Salis und löste mit dieser Intervention befreiendes Lachen im anwesenen Mittelbau aus. «Die Leute müssen nämlich auch Teamplayer sein. In den meisten Fällen ist die soziale Kompetenz, andere motivieren zu können, sehr wichtig», führte sie aus und fügte hinzu: «Und für die Frauen gilt: Sie müssen eine Familie managen. Für Männer wird das in Zukunft ebenfalls wichtig werden, weil ihre Frauen in Zukunft keine Familie mehr wollen, wenn der Mann dort nicht mit managt.» Einen gewissen Trost sprach auch von Salis aus: Es sind nicht alle Fähigkeiten gleichzeitig gefragt. Am Anfang kann man sich auf die Forschung konzentrieren, später kommen nach und nach Lehre, Mittelgenerieren und Führungsaufgaben hinzu.

Alles oder – was anderes

Die anschliessende Diskussion von Fragen aus dem Publikum zeigte, dass das schablonenhafte Aufstellen von Maximalanforderungen an eine Professur beim anwesenden Mittelbau eine gewisse Verunsicherung auslöste. Wie bei sonstigen Stelleninseraten für Kaderpositionen sprang auch hier die Diskrepanz zwischen Anforderung und Realität verwirrend ins Auge: Wer soll das alles erfüllen, und weshalb vereint keiner der derzeit Amtierenden alle erforderlichen Fähigkeiten und hat es trotzdem auf den Postengeschafft? Ist ein absoluter Einsatz für eine ungewisse Zukunft wirklich der richtige Weg? Welche Alternativen gibt es für Leute, die zwar gerne forschen, aber nicht unbedingt eine ordentliche Professur anvisieren?

Nur Personen mit hochgradig ausgeprägtem Selbstwertgefühl werden die Professur von morgen anstreben. Ob sie die Geeignetsten sind, ist eine andere, hochschulpolitische Frage. Die grosse Mehrheit des akademischen Nachwuchses wird sich auf eine berufliche Alternative besinnen (müssen). Ganz oben hat es einfach nicht Platz für alle.

Standortbestimmung der ProWiss-Veranstaltungen

Mit dieser Podiumsdiskussion beenden die ProWiss-Macherinnen vorerst ihre für den akademischen Nachwuchs konzipierte Veranstaltungsreihe. Das Innehalten soll aber nicht endgültig sein. Nach einer Standortbestimmung von ProWiss soll es später weitergehen mit noch mehr und noch besseren Informationsveranstaltungen für den Mittelbau, sagte Dr. Ursula Meyerhofer. Offensichtlich will auch, was gut ist, noch besser werden.

Brigitte Blöchlinger ist unipublic-Redaktorin und Journalistin BR.