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Seit 30 Jahren gibt es sie bereits: die von Universität und ETH Zürich gemeinsam organisierte interdisziplinäre Ringvorlesung. Anlässlich desJubiläums steht nun die akademische Selbstreflexion im Zentrum: «Was ist das - die Hochschule?» lautet der Titel der öffentlichen Veranstaltung im laufenden Sommersemester, die sich mit den aktuellen Hochschulreformen, wie sie das Bologna-Modell vorsieht, auseinandersetzt. Den Auftakt der Veranstaltungsreihe bestritten am vergangenen Donnerstag (1. April) die Rektoren der beiden Zürcher Hochschulen, Professor Hans Weder und Professor Konrad Osterwalder. In zwei Stellungnahmen und einem anschliessenden, vom Philosophen Georg Kohler moderierten Gespräch analysierten sie unter dem Titel «Hochschulen im 21. Jahrhundert - Wo stehen wir?» den laufenden Reformprozess.
In seinem Eintretensvotum zeigte Konrad Osterwalder drei Widersprüche auf, mit denen die Hochschulreformer konfrontiert werden. Einerseits seien Lehre und Forschung universal ausgerichtet, andererseits stünden die Hochschulen auch in einem nationalen Kontext, meinte der ETH-Rektor. Im Rahmen der Bologna-Reform habe man sich in Europa nun auf gemeinsame Ziele - etwa das Erreichen einer grösseren Mobilität - geeinigt und habe bereits Einiges zustande gebracht. Nach wie vor seien aber beispielsweise die akademischen Kalender in den Ländern unterschiedlich gestaltet, was die Mobilität der Studierenden - etwa aufgrund unterschiedlicher Prüfungstermine - immer noch einschränke.
Einen zweiten Widerspruch sieht Osterwalder in der Forderung nach einem allgemeinen Zugang zu den Hochschulen einerseits und andererseits die Besten optimal zu fördern. Während 1950 nur zwei Prozent der Bevölkerung eine Hochschule besuchten und hervorragende Betreuungsverhältnisse existierten, sei der Anteil heute auf rund 20 Prozent angewachsen. «Wir tun heute so, als ob wir noch die gleiche Qualität anbieten könnten wie damals», sagte Osterwalder. Diese Diskrepanz gelte es aufzulösen. Mögliche Lösungsansätze sieht er in der Schaffung von staatlichen oder privaten Elitehochschulen, wie es sie in Frankreich oder den USA gibt. Im weiteren könnten aber auch einzelne renommierte Institute oder Departemente innerhalb einer Hochschule oder bestimmte Ausbildungsstufen gefördert werden.
Den dritten - direkt an diese Thematik anschliessenden - Widerspruch sah Osterwalder zwischen Studienzielen und der Studienzeit. «Es macht keinen Sinn allen eine Spitzenausbildung zu ermöglichen», sagte er. Es müsste deshalb - auch aus finanziellen Gründen - versucht werden, das Ausbildungssystem stärker zu diversifizieren und die Verschiedenheit - zwischen Fach- und Hochschulen, aber auch unter den Hochschulen - zu pflegen. «Wir sollten eine Vielfalt von Anforderungs- und Offertenprofilen der verschiedenen tertiären Bildungsinstitutionen haben. Für die Studierenden sollte darüber ein Höchstmass an Transparenz bestehen», schloss Osterwalder seine Ausführungen.
In seinem Eintretensvotum unterstrich Universitätsrektor Hans Weder die Verpflichtungen der Hochschulen gegenüber der Gesellschaft. Die Chancen der Schweiz für die Zukunft lägen in der Innovation und im Ausführen hochqualifizierter Tätigkeiten, sagte Weder. Die Aufgabe der Universitäten sei es nun, hochqualifizierte Leute für diese Aufgaben bereit zu stellen. Die Universitäten könnten aber auch wesentliche kulturelle Impulse - beispielsweise die Entwicklung der Gerechtigkeitsidee oder die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der kulturellen Vielfalt in der globalisierten Welt - geben. Daneben seien die Hochschulen auch der Sache der Wissenschaft selbst verpflichtet, meinte Weder. Deshalb sei auch die Pflege der Grundlagenforschung wichtig. Gerade in der Wissensgesellschaft, in der wir leben, sei zudem die Reflexion von Wissen entscheidend. In der wissenschaftlichen Bildung, wie sie eine Universität ermögliche, gehe es darum, einen Denkstil zur Problemlösung zu entwickeln - andere Gedanken zu denken als die, die gerade in der Luft liegen.
Die Bolognareform, so Weder weiter, wurde in Zürich zum Anlass für eine grundlegende Studienreform genommen. «Es werden nicht einfach neue Etiketten an alte Studiengänge geklebt», sagte er. Das Angebot werde besser strukturiert, mehr Interaktivität und Auseinandersetzung der Studierenden mit den Lehrenden werde angestrebt, es würde angemessenere Leistungskontrollen sowie mehr Wahl- und Kombinationsmöglichkeiten in interdisziplinärer Hinsicht geben - beispielsweise Finance für Mathematiker, Wirtschaft für Chemiker und Informatik für Literaturwissenschaftler. Im weiteren hob Weder hervor, dass die Schweizerische Universitätskonferenz - im Gegensatz zu Deutschland - den Master und nicht den Bachelor zum Normabschluss einer wissenschaftlichen Ausbildung bestimmt hat, was er begrüsste. «Der Bachelor ist in der Schweiz als grundlegende Ausbildung definiert, in der man sich methodische Grundkenntnisse aneignet. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass man damit ein Fach von innen heraus zu verstehen lernt», sagte Weder. Den idealen Bevölkerungsanteil mit einem Master-Abschluss sieht er bei 15 Prozent.
Zu Beginn der anschliessenden Diskussion gab sich Ulla Blume, die Präsidentin des Studierendenrats der Universität Zürich, mit den von der Universitätsleitung festgelegten Grundsätzen zu Bologna grundsätzlich einverstanden. «Das klingt einigermassen gut», meinte sie. Ein Blick in die Fakultäten und Institute zeige aber, so Blume, dass der Enthusiasmus dort weit geringer ist als bei der Universitätsleitung und bei den Projektverantwortlichen. «Ich sehe vor allem grosse Umsetzungsprobleme», meinte sie.Dass die Umsetzung der Bolognareform in teils Fächern schwierig ist, wollte Rektor Weder nicht kleinreden, «das Bologna-Modell stammt aus einem Universitätssystem, dass zehnmal bessere Betreuungsverhältnisse hat als das unsere», meinte er. Der Universitätsrat habe aber einen jährlichen Anstieg des Budgets um 24 Millionen Franken zur Verbesserung dieser Situation bewilligt, sagte Weder.
Für Georg Kohler hat die Einführung des Bologna-Modells weitreichende Konsequenzen: «Wir sind doch im Grunde daran, die Universität in eine Massenuni und in eine Eliteuni aufzuteilen», gab er gegen Ende der Veranstaltung zu bedenken. Bezüglich der Eliteförderung meinte Hans Weder, an der Universität müsste zur Unterstützung der 15 Prozent Besten noch mehr getan werden. Das heisse aber nicht, dass die Universität nur an diesen 15 Prozent interessiert sei.