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Mit der Bologna-Reform steht eine der revolutionärsten Veränderungen des Schweizer Hochschulwesens der letzten Jahrzehnte vor der Tür. Die Universität Zürich hat mit der Anpassung der Studiengänge bereits begonnen und wird sie in den kommenden drei bis vier Jahren schrittweise vollenden, an der ETH ist die Umstellung auf Bachelor und Master heute bereits in 18 von 25 Studiengängen Realität. Aus diesem Anlass hat die Kommission für Interdisziplinäre Veranstaltungen (KIV) die traditionelle Ringvorlesung dem Thema «Was ist das– die Hochschule?» gewidmet. Und sie feiert damit gleich auch ihr 30-jähriges Bestehen: 1974 wurde sie unter diesem Namen eingeführt.
«Die kommende Ringvorlesung über die Hochschule ist keine Informationsveranstaltung», betont Prof. Georg Kohler, Mitglied der KIV und Ordinarius für Philosophie an der Universität Zürich. Die Vorlesungen sollen zu einer inhaltlichen Debatte über Sinn und Zweck der Hochschule anregen und gestaltend auf die zukünftige Universität wirken. Kohler hat die Vorlesungsreihe inhaltlich konzipiert und organisiert. «Vieles ist noch im Fluss», sagt er. «Das eröffnet den Instituten die Möglichkeit, aktiv in den Reform-Prozess einzugreifen.»
Zum Auftakt werden die beiden Rektoren von Universität und ETH, Prof. Hans Weder und Prof. Konrad Osterwalder, ein Gespräch zum Stand der Zürcher Hochschulen führen. Doch die Reihe will auch externen Akteuren Gelegenheit geben, sich zum Thema zu äussern. Eine Veranstaltung wird sich beispielsweise der Frage widmen, ob die Universität nicht mehr primär ein «Ort des freien Denkens» ist, sondern vielmehr eine Art «Firma zur Produktion von Wissen», wie es Kohler formuliert. An der Diskussion werden mehrere Bildungspolitikerinnen und -politiker teilnehmen. Eine weitere Veranstaltung thematisiert die Universität im Umfeld von Medien und Marketing: Wie aussagekräftig sind Rankings wirklich?
Die breite Auslegeordnung des Themas Hochschule ist ganz im Sinne der KIV. Ihr Auftrag ist es, interdisziplinäre Veranstaltungen zu koordinieren. Jeder Universitätsangehörige ist berechtigt, bei der Kommission Vorschläge für eine Ringvorlesung einzureichen. Die Mitglieder werden von der Universität und der ETH zu gleichen Teilen gestellt. Alle Hierarchiestufen sind vertreten.
«Eigentlich ist die interdisziplinäre Ringvorlesungein Kind der 68er-Bewegung», sagt Felix Escher, Präsident der KIV und Professor für Lebensmitteltechnologie an der ETH. Damals sei deutlich geworden, dass Themen wie Umweltbelastungoder Armut in Entwicklungsländern die Kapazitäten einer einzelnen Disziplin überstiegen. «Die Einsicht wuchs, dass solche Probleme nur interdisziplinär gelöst werden können», erklärt Escher. Dies bedeutete aber, dass Universität und ETH vermehrt Wissen austauschen mussten, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen.
Breit ist die Palette der Themen, die in den letzten 30 Jahren aufgegriffen wurden: von wissenschaftstheoretischen Fragestellungen, welche eher an einen intra-universitären Diskurs anknüpften, bis hin zu aktuellen Zeitfragen, welche eine breitere Öffentlichkeit beschäftigten. Als Beispiel für letzteres erwähnt Escher die Vorlesungsreihe «Gedächtnis, Geld und Gesetz. Vom Umgang mit der Vergangenheit vor 1945», welche im Wintersemester 1998/99 auf die Debatte der Holocaust-Gelder Bezug nahm. Der Stoff «Frau und Gesellschaft» wurde mehrmals behandelt. Weitere Reihen waren beispielsweise «Kirche und Staat», «Die Stadt der Zukunft» oder «Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit» (Letztere wurde von Dr. Heini Ringger, Leiter der unicommunication, organisiert).
Heute ist die Zusammenarbeit der beiden Hochschulen selbstverständlich geworden, und es sind zusätzliche Plattformen des interdisziplinären Austausches entstanden. Als Escher 2002 das Präsidium übernahm, initiierte er eine Standortbestimmung der KIV, welche sich unter anderem auch die Frage stellte, ob die Ringvorlesung noch immer ihre Berechtigung habe. «Wir konnten diese Frage mit einem sehr deutlichen Ja beantworten», erinnert sich Escher. Mit derinzwischen traditionellen Ringvorlesung können die Hochschulen einiges zu aktuellen gesellschaftlichen Debatten beitragen. «Ausserdem ist diese Veranstaltung heute eine willkommene Gelegenheit für die beiden Hochschulen, ihre Forschungs- und Bildungsanliegen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.» Dieser «PR-Effekt», meint Escher, sei nicht zu unterschätzen.