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Frauenförderung

Volle Kraft voraus - mit Teilzeit

Wenn es wo schwierig ist, Teilzeit zu arbeiten, dann in der Medizin. Die Oberärztin Barbara Ballmer hat es geschafft, so wie sie auch das Familienleben managt und neben der Arbeit auf der Allergiestation des Universitätsspitals noch Zeit für Forschung und Lehre findet. unipublic hat die aussergewöhnliche Parttime-Ärztin nach ihrem Geheimrezept gefragt.
Brigitte Blöchlinger

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Erster Schultag der älteren Tochter von Barbara Ballmer.

Barbara Ballmer muss mit einer Extraportion Energie gesegnet sein. Anders ist es nicht zu erklären, wie die Dermatologin in den sechzig Prozent Anstellung auf der Allergiestation Lehre, Forschung und Klinikarbeit bewältigen kann. Und Zeit für ihre zwei Töchter findet. Und Mitglied von fünf Kommissionen und drei Gesellschaften ist. Und Fortbildung in Ernährungsberatung macht. Und den Facharzttitel für Dermatologie und Venerologie und für Allergologie und klinischeImmunologie hat.

Je höher, desto Vollzeit

Am Anfang ihrer Karriere war die Vorstellung, Teilzeitärztin zu werden, noch recht vermessen. «Als ich das Staatsexamen machte, gab es wenig Möglichkeiten, Teilzeit zu arbeiten», erzählt die Oberärztin rückblickend, «obwohl viele Frauen das wollten. In den letzten fünfzehn Jahren hat sich einiges verbessert diesbezüglich.» Auf Assistenten- und neu auch Oberarztebene wurden einige Teilzeitstellen geschaffen. Wie das zustande kam, ist Spekulation; der Druck «von unten» hat aber sicher eine Rolle gespielt. Doch nach wie vor sind Teilzeitstellen in der Medizin die Ausnahme. An der Dermatologie arbeiten neben Barbara Ballmer zur Zeit noch zwei Frauen Teilzeit.

Teilzeit forschen: besser im Tandem

Obwohl die Assistenzärzte und -ärztinnen damals bei einer 100%-Anstellung noch achtzig bis neunzig Stunden arbeiteten und praktisch keine Zeit zum Forschen fanden, schaffte es Ballmer, nach dem Staatsexamen «nicht wahnsinnig viel, aber immer ein bisschen etwas» zu forschen. So dass sie schliesslich eine Drittmittelstelle im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts erhielt. Mit einem «Stipendium der Universität Zürich zur Förderung des akademischen Nachwuchses» hatte sie endlich ein Jahr lang fixe Tage, die ganz der Forschung gehörten. Ihr Untersuchungsgegenstand war aktuell: Es ging um Nahrungsmittelallergien und wie diese therapiert werden können. Als erstes beschäftigte sie sich mit Sellerie- und Haselnussallergien. Da sie Teilzeit forschte, musste ein Teil der Arbeit immer auch während der Freizeit erledigt werden. Es folgte ein zweites Forscherinnenjahr dank einem Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds (Marie-Heim-Vögtlin).

Von Vorteil war Barbara Ballmers ausgeprägter Teamgeist. «Wir taten uns mit Molekularbiologen und Chemikern von verschiedenen europäischen Forschungsinstituten zusammen; ich brachte das klinische Wissen ein, die anderen das Forscher-Know-how», erzählt sie. So kamen starke Papers zustande, die überzeugten. Tandemforschung wird eine solche Kooperation zwischen Klinikern und Grundlagenforschern vom Schweizerischen Nationalfonds genannt.

2003 wurde die jahrelang Drittmittel-finanzierte Oberarztstelle in eine normale Stabsstelle umfunktioniert. Momentan hat Ballmer ihrerseits drei Drittmittel-Angestellte unter sich.

Das Team der Allergiestation. Barbara Ballmer: hintere Reihe Mitte.

Problem Kaderposition

Doch einProblem kommt erst noch, gibt Ballmer zu bedenken. «Eine Oberarztstelle ist keine Lebensstelle. Wenn man eine Stufe höher steigen will, wird es schwierig mit der Teilzeit», weiss sie. Als nächste Etappe wäre eine leitende Stellung angesagt. «Es gibt vereinzelt leitende Aerztinnen und Chefärztinnen, aber die arbeiten hundert Prozent», zieht Ballmer Bilanz.

Leitende Funktionen können nur in Vollzeit wahrgenommen werden, lautet der allgemeine Konsens. Ballmer überlegt und findet schliesslich, dass eine Leitungsfunktion auch mit achtzig Prozent möglich sein müsste. Je nach Gebiet wäre auch Jobsharing eine Möglichkeit, zu zweit ein volles Pensum abzudecken.

Zufrieden mit der Teilzeitmutter

Nach der Geburt des ersten und zweiten Kindes, 1996 und 1998, arbeitete Barbara Ballmer fünfzig Prozent. Sie engagierte eine Tagesmutter, und während der Kongresse sprangen die Grosseltern ein. Trotz dieser zufriedenstellenden Lösung findet Ballmer, dass sie ihre Karriere zu wenig geplant habe. «Ich wusste einfach, dass ich Kinder haben und Teilzeit arbeiten möchte.» Klar war auch, dass sie die Kinder erst nach dem Facharzttitel haben wollte. «Es hat fast geklappt», lacht Ballmer.

Der Wunsch, als Mutter nicht Vollzeit arbeiten zu müssen, hat ihr Berufsziel mit beeinflusst. In der Inneren Medizin, auf die sie sich als erstes spezialisieren wollte, wäre das früher undenkbar gewesen. «Daswar schon mit ein Grund, weshalb ich damals die Dermatologie wählte», erinnert sich Ballmer. Noch heute muss sie einen Teil ihrer nichtklinischen Arbeit am Abend bewältigen, wenn die Kinder im Bett sind. «Ich schaue aber, dass meine Töchter nicht zu kurz kommen», fügt sie an. Seit Abschluss der Stipendiumszeit schränkt Ballmer ihre Abwesenheiten bewusst ein, so dass die Töchter «zufrieden sind mit ihrer Mutter. Ich möchte ihnen vermitteln, dass es wichtig ist, einen befriedigenden Job zu haben.»

Ratschlag an die nächste Generation

Was würde die Oberärztin jungen Medizinstudentinnen auf den Weg mitgeben? «Sie sollen sich schon früh mit Mentoren oder Mentorinnen zusammentun und ihre Karriere bewusst planen», regt Ballmer an.

Und wie steht es mit der Belastung? Ballmer gibt unumwunden zu, dass es auch sehr stressige Phasen gab. «Besonders als die Kinder klein waren und einen in der Nacht nicht immer schlafen liessen», erinnert sich Ballmer, «am nächsten Tag muss man ja trotzdem seine Abmachungen einhalten, den Vortrag fertigstellen oder die Daten liefern. Zusammen mit der Klinikarbeit ist das schon stressig.» Hat sie irgendeinen Geheimtipp, wie mit der Doppelbelastung umgegangen werden kann? «Ich bin wahrscheinlich vom Typ her recht stressresistent», lacht Ballmer. «Und ich habe einen starken Willen.»

Frauenförderung dringend nötig

Mitte Januar sass Barbara Ballmer auf einem ProWiss-Podium zum Thema Teilzeit. Organisiert hatte die Diskussionsrunde die UniFrauenstelle – Gleichstellung für Frau und Mann. Denn Teilzeitstellen sind nach wie vor die Voraussetzung, dass Wissenschaftlerinnen aller Sparten nicht auf Kinder verzichten müssen. Barbara Ballmer hat sich ohne Frauenförderung organisiert. Trotzdem findet sie Frauenförderung in der Medizin «dringend notwendig». «Mittlerweile studieren ja viele Frauen Medizin, wenn dann die Spitze der Fakultät nur aus Männern besteht, ist das schon eine eigenartige Repräsentation», gibt Ballmer zu bedenken. «Vielen Frauen fehlt der Mut, Familie und Karriere anzustreben. Es braucht unbedingt Vorbilder, die zeigen, dass sich beides vereinen lässt.» Barbara Ballmer ist sicher eines.

Brigitte Blöchlinger ist unipublic-Teilzeitredaktorin und Journalistin BR.