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Tag der Bildung 2003

«Von Kahlschlag mag ich nicht reden»

Welche Bildung brauchen wir und was muss sie uns Wert sein? Fragen wie diese werden am heutigen kantonalen «Tag der Bildung» diskutiert. In einem Interview nimmt Brigitta Johner-Gähwiler, Präsidentin der kantonsrätlichen Bildungskommission, zu Fragen rund um die Bildungsoffensive Stellung.
Roger Nickl

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«Bildung soll Menschen lebenstüchtig machen, sie befähigen, sich in der Gesellschaft behaupten zu können.»

unipublic: Frau Johner-Gähwiler, wie wichtig ist Bildung heute?

Brigitta Johner-Gähwiler: Sehr wichtig. Zuerst wäre allerdings zu definieren, was wir unter Bildung überhauptverstehen. Bildung ist für mich nicht nur das Wissen, das vermittelt wird, um später ökonomisch verwertet zu werden. Sie ist viel umfassender. Einerseits soll Bildung Menschen lebenstüchtig machen, sie befähigen, sich in der Gesellschaft behaupten zu können. Andererseits eröffnet sie neue Welten, macht neugierig und Lust auf lebenslanges Lernen. Mir ist es deshalb sehr wichtig, dass am «Tag der Bildung» nicht nur über Finanzen, sondern auch über bildungspolitische Inhalte und über den Stellenwert von Bildung in der Gesellschaft diskutiert wird.

Die Initianten des «Tag der Bildung» läuten die Alarmglocken. Leistungsabbau und Qualitätsverlust sind die Stichworte. Wie schätzen Sie als Politikerin die Qualität des Bildungsstandorts Zürich ein?

Johner-Gähwiler: Alarmierend sind sicher die unbefriedigenden Resultate der PISA-Studie. Sie drängen zur Frage, ob wir das Geld, das uns zur Verfügung steht, richtig einsetzen. Wenn wir nun - um mit einem Bild zu sprechen - die Schäden im Haus der Bildung sanieren wollen, müssen wir beim Fundament anfangen. Dies wurde eingeleitet mit der Volksschulreform. Sie ist das vordringliche Ziel. Wir müssen beispielweise früher und flexibler einschulen können. Ganz allgemein gesehen haben wir uns wohl ein bisschen zu lange auf den Lorbeeren ausgeruht. Die Schweiz hat punkto Bildung ein gutes Image. Wenn man aber immer gelobt wird, hat man vielleicht zu wenig Veranlassung manchmal an sich selbst zu zweifeln. Wir müssen nun alles daran setzen, in Sachen Bildung wieder an die Spitze zu kommen.

«Für mich ist Zürich eine Spitzenuniversität.»

Punkto Qualität: Welches Bild haben Sie von der Universität Zürich?

Johner-Gähwiler: Für mich ist Zürich eine Spitzenuniversität, obgleich sie in verschiedenen Rankings leider nicht überall einen Spitzenplatz einnimmt. Dies hat vor allem mit den schlechten Betreuungsverhältnissen zu tun. Deren Verbesserung muss ein vordringliches Ziel sein. Ich nehme Zürich dennoch als Universität mit einem exzellenten Ruf wahr. Dass Zürich für Studierende attraktiv ist, liegt auch am Standort, dem breiten Angebot auch ausserhalb der Universität.

Am «Tag der Bildung» finden an verschiedenen Kantonsschulen Podiumsgespräche statt, auf dem Zürcher Platzspitz ist zudem eine Kundgebung geplant. Was erwarten Sie von der Bildungsoffensive?

Johner-Gähwiler: Ich freue mich auf diesen Tag. Es sollte aber wie gesagt nicht nur über Finanzfragen diskutiert werden. Der «Tag der Bildung» ist für mich idealerweise der Auftakt für eine weiter reichende Diskussion in allen Bevölkerungsschichten. Es sollten auch Menschen erreicht werden, die sonst nicht direkt mit Bildungsfragen konfrontiert sind. Wir müssen verstärkt aufzeigen, wo und weshalb Investitionen in die Bildung für unser Land so wichtig sind.

Das Thema Sparen wird dennoch den wesentlichen Teil der Diskussionen ausmachen. Wo soll, wo kann, wo muss man im Bildungsbereich sparen?

Johner-Gähwiler: Wir müssen in der Diskussion bestimmen, was uns wichtig ist. Was ist das Kernangebot, das die Bildungsinstitutionen bieten müssen? Aber auch, zu welchen Eigenleistungen sind wir bereit? Neben viel Unmut haben die Sparmassnahmen ja auch positive Reaktionen ausgelöst. So wird Bestehendes kritisch hinterfragt, auch um Platz für Neues zu schaffen. Über ihr Globalbudget haben die einzelnen Bildungsbereiche die Möglichkeit, die Frage nach Sparpotenzialen eigenständig zu lösen. Im übrigen ist das Wort «sparen» nicht ganz zutreffend, denn eigentlich geht es ja jetzt und in den kommenden Jahren um ein Bremsen der Aufwandsteigerung. So wird zum Beispiel im Entwurf des Regierungsrates zum Budget 04 im Vergleich zu dem des Vorjahres nur in zwei Bereichen (Bildungsverwaltung und Jugendhilfe) weniger Geld bereit gestellt, während in den übrigen Bildungsbreichen gleichviel oder mehr Geld zur Verfügung steht. Das Sanierungsprogramm hingegen sieht vor allem in der Volksschule und in den Mittelschulen zum Teil einschneidende Massnahmen vor. Die Berufsbildung oder die Universität hingegen werden eher geschont. Von einem Kahlschlag in der Bildung mag ich daher nicht reden.

«Bildung hat ihren Preis. Aber wir sind auch verpflichtet, dem staatlichen Haushalt Sorge zu tragen.»

Sie werden selbst am Tag der Bildung an einem Podiumsgespräch in Urdorf teilnehmen. Welche Botschaften wollen Sie den Lehrern und Schülern der Kantonsschule Limmattal, vermitteln?

Johner-Gähwiler: Ich möchte deutlich machen, dass wir uns in der Bildungskommission sehr wohl bewusst sind, dass Bildung ihren Preis hat. Aber auch, dass wir verpflichtet sind, dem staatlichen Haushalt Sorge zu tragen. Wenn es uns gelingt, eine Einigkeit bezüglich der bildungspolitischen Schwerpunkte in den nächsten Jahren zu erzielen, dann werden wir in eine gute Zukunft blicken können.

Welche Schwerpunkte vertreten Sie innerhalb der Kommission?

Johner-Gähwiler: Für mich steht die Umsetzung der Volksschulreform an erster Stelle. Von ihr versprecheich mir sehr viel: Ich denke die Reform wird für mehr Stabilität und Sicherheit in diesem Bildungsbereich sorgen. Natürlich müssen in den Reformprozess Lehrer, Schüler und Eltern mit einbezogen werden. Dass wir neben der Volksschulreform die anderen Bildungsstufen nicht vergessen, ist selbstverständlich.

Die Bildunginstitutionen beklagen sich bei der Politik immer wieder über fehlende Planungssicherheit. Wie reagieren Sie auf diese Kritik?

Johner-Gähwiler: Ich kann sie aus der Sicht der Betroffenen nachvollziehen, wobei aber gemäss dem Konsolidierten Entwicklungs- und Finanzplan (KEF) 2004 bis 2007 in etwa abschätzbar ist, wie die nahe Zukunft aussehen wird. Der KEF gibt den Rahmen vor, an dem man sich orientieren muss. Im Übrigen muss man sagen, dass ein Sanierungsprogramm auf Grund der Finanzlage früher oder später unumgänglich gewesen wäre. Eine totale Planungssicherheit gibt es nie.

«Wenn die Kassen voll sind, ist die Politik wohl automatisch verlässlicher.»

Es scheint dennoch eine Verunsicherung der Bildungsinstitutionen gegenüber der Politik zu bestehen. Die Politik wird, hat man den Eindruck, als unzuverlässige Partnerin wahrgenommen. Wir reagieren Sie auf dieses Unbehagen?

Johner-Gähwiler: In der Politik widerspiegelt sich die Gesellschaft, die heute stark polarisiert ist. Als FDP-Politikerin und somit Vertreterin einer Partei der Mitte, finde ich es schade, dass wir als so unzuverlässig wahrgenommen werden müssen. Die kritisierte Unzuverlässigkeit hängt jedoch auch stark mit der aktuellen Wirtschaftslage zusammen - wenn die Kassen voll sind, ist die Politik wohl automatisch verlässlicher. Wir stecken in einem Dilemma: der Sorge um den Staatshaushalt auf der einen und dem Bewusstsein um die Staatsaufgaben auf der anderen Seite. Dieses Verhältnis wird ja sehr kontrovers diskutiert. Wenn die Positionen so polarisiert bleiben wie im Augenblick, werden wir weiterhin hart darum ringen müssen, verlässliche Partner zu sein.

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