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Der «Bologna»-Zug rollt. Aufhalten wird ihn wohl niemand mehr, auch wenn die organisierten Studierenden - der Studierendenrat (StuRa) und das Aktionskomitee gegen das neue Unigesetz - dies versuchen. In ihren Augen wird in diesem Reformprozess, der vor allem die universitäre Lehre betrifft, zu wenig Rücksicht auf die Interessen der Studierenden genommen. Auf der anderen Seite sitzt die Universitätsleitung in der Klemme, muss sie doch Reformen durchführen, die wohl etwas kosten, aber eigentlich nichts kosten dürfen. Denn der kantonale Geldgeber wird in den kommenden Jahren einen radikalen Sparkurs fahren.
Dennoch liessen sich die Gegnerschaften auf der vom Fachverein Philosophie organisierten Podiumsveranstaltung «Sparwut oder Reformen. Unipolitik am Scheideweg» nicht scharf abgrenzen. Differenzen bestanden schon zwischen den beiden Studierendenorganisationen, die Ulla Blume-Heisgen (StuRa) beziehungsweise Sarah Schilliger (Aktionskomitee) vertraten. Schilliger warf den parlamentarischen Studierenden des StuRa vor, zu wenig von den Informationen mitzuteilen, die sie durch die Mitarbeit in verschiedenen Kommissionen und Gremien bekommen. Einig waren sich die beiden Studentinnen wiederum darin, dass die politischen Tendenzen dahin gehen, den Zugang zur Bildung immer mehr vom Portemonnaie abghängig zu machen.
Ob denn die Universität Zürich aus Zwang oder Einsicht beim «Bologna»-Prozess mitmache, fragte Moderator Christoph Wehrli (NZZ) die Teilnehmenden und traf damit einen heiklen Punkt. Udo Fries, Prorektor Lehre und Professor für englische Sprachwissenschaft, gestand ein, beides sei der Fall. Die Mittelzuteilung aus Bern sei an die Teilnahme gebunden. Doch drohe andrerseits die Gefahr der Isolierung, wenn man sich aus diesem europäischen Prozess heraushalte. Deshalb unterstütze die Universität Zürich die Bologna-Deklaration. Allerdings sei man deren Umsetzung «gemütlich angegangen», was sich heute als Vorteil erweise: Man habe aus den Fehlern der anderen lernen können.
Auf den Vorwurf der kämpferisch auftretenden Sarah Schilliger, die aktuellen Reformen spielten der Privatwirtschaft in die Hände, würden aber nicht die «gesamtgesellschaftlichen Interessen» berücksichtigen, entgegnete Philosophieprofessor Georg Kohler, sie habe eine zu enge, «linke Optik». Er erwiderte: «Es ist doch nicht falsch, wenn die Uni eine Berufsausbildung zustande bringt, die gebraucht wird.»
Nach der Aussenperspektive befragt, tat die SP-Kantonsrätin Julia Gerber-Rüegg ihre Irritation kund: Die Parlamente von Bund und Kantonen seien in die Diskussion um die Umsetzung der Bologna-Deklaration überhaupt nicht integriert. Aufgrund ihrer persönlichen Wahrnehmung könne sie aber sagen, dass Gleichstellungsfragen in der Diskussion zu kurz kämen. Die Rede von einem «Europa des Wissens» bleibe hohl, wenn man bei den Reformen nicht die gesellschaftlichen Rahmenbedingung respektive die ungleiche gesellschaftliche Stellung der Frauen berücksichtige. Jedoch sieht sie «Bologna» auch als eine Chance zugunsten der Studierenden: Das Anrechnungspunktesystem verlange vom Lehrkörper, zielorientiert zu arbeiten und den Aufwand für Arbeitsleistungen zum ersten Mal genau zu definieren.
Mehrfach wurden in der Diskussion mangelndes Mitspracherecht, zu wenig Kommunikation und Information nach aussen angesprochen. Besonders die Studierenden fühlten sich zu spät in den Prozess einbezogen. Dies hat schliesslich auch zur Radikalisierung eines Teils der Studierenden geführt; Sarah Schilliger bezeichnete den «Bologna»-Prozess als «illegitim». Als symptomatisch für die beklagte Informationspolitik ist auch die geringe Zahl des etwa vierzigköpfigen Publikums zu werten, das auch noch zum grossen Teil aus Anhängern der jeweiligen, auf dem Podium vertretenen Interessensgruppen bestand.
Die gleich hohe Sachkompetenz der Debattierenden deutete darauf hin, dass diese nicht zum ersten Mal Themen wie die Erhöhung von Studiengebühren oder die Stufung der Studiengänge miteinander verhandelten. Moderator Christoph Wehrli schien denn auch eher zwischen Parteien zu vermitteln, deren Gespräche in einer Sackgasse stecken.
Auf allen Seiten waren während des Abends Ängste und Unsicherheiten angesichts des grossen Projekts «Bologna» und der leeren Kassen zu spüren. Für grundsätzliche Bedenken ist es freilich zu spät, wenn man bereits im selben Boot auf dem Ozean schaukelt.
Die Politikerin Julia Gerber-Rüegg konnte zwar auch keinen Rat geben, was nun zu tun sei, appellierte jedoch an die Anwesenden, die Diskussion in die Öffentlichkeit zu tragen. Geld für Bildung sei eine Investition in die Zukunft der Schweiz, und dafür müsse man die Leute gewinnen. Ein Anfang war mit dieser Podiumsdiskussion gemacht.