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Vortrag von Bundesrat Moritz Leuenberger

Puppen schützen oder Fussballspielen?

Bundesrat Moritz Leuenberger sprach gestern abend in seinem Vortrag an der Universität Zürich über die schwierige Aufgabe des Staates, die Sicherheit zu organisieren. Dabei waren Puppenhäuser, Töffahrer und Handy-Besitzer ein Thema.
Christian Schürer

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Bundesrat Moritz Leuenberger in der Aula der Universität Zürich.

Für die Sicherheit von Bundesrat Moritz Leuenberger war gesorgt. Allerdings mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln. Während Mitglieder ausländischer Regierungen oft Heerscharen von Bodyguards mit sich führen, genügten beimgestrigen Auftritt des UVEK-Vorstehers in der Aula der Universität Zürich zwei Sicherheitsbeamte. Die Zuhörerinnen und Zuhörer konnten eintreten, ohne den Inhalt ihrer Taschen zeigen zu müssen oder gar Leibesvisitationen über sich ergehen zu lassen - Freiheit kam vor Sicherheit. Dass Sicherheit und Freiheit Gegensätze sind, machte Leuenberger zu Beginn seines Vortrags über «die Verantwortung, die Sicherheit zu organisieren» klar. Ebenso klar ist für Leuenberger allerdings, dass die Menschen sowohl Sicherheit wie auch Freiheit möchten.

Der Staat ist also gefordert, gerade in Zeiten, in denen das Thema Sicherheit omnipräsent ist. Leuenberger, der im Rahmen der Veranstaltungsreihe des Schweizerischen Instituts für Auslandforschung (SIAV) sprach, erklärte, dass das Pendel zwischen Freiheit und Sicherheit in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder hin und her schwinge. «Nach dem Unfall im Gotthardtunnel sprachen auch die Fuhrhalter von Sicherheit.» Genauso hätten die Menschen unmittelbar nach Tschernobyl wohl einem Ausstieg aus der Kernenergie zugestimmt. Doch würden solche Stimmungen jeweils nicht lange währen. «Niemand kann beständig in Angst und Schrecken leben.» Es gehe für die Politik darum, immer wieder die Frage zu stellen, welcher Stellenwert Freiheit und Sicherheit zukommt.

Leuenberger gilt nicht als Politiker, der langweilige Reden schwingt. Auch in der Uni-Aula enttäuschte er das Publikum nicht. Immer wieder flocht er in seinen Vortrag Schilderungen über seine Nachbarskinder Laura und Luca ein, die zu Weihnachten eine Puppenstube beziehungsweise einen Fussball geschenkt bekommen haben. Laura und Luca sowie ihr Umfeld ringen jetzt mit der Frage, wie sie mit Lucas Freiheit, Fussball zu spielen, umgehensollen, damit die Sicherheit von Lauras Puppenstube nicht gefährdet ist. Ein überaus schwieriges Problem, wie sich im Verlauf des Vortrags zeigte. Genauso knifflige Fragen präsentieren sich bisweilen in Leuenbergers Departement. Beispielsweise werde gegenwärtig diskutiert, wie mit den «Natel easy» Mobiltelefonen zu verfahren sei. Diese würden häufig für kriminelle Zwecke missbraucht. Sollen deshalb die Benützer neu registriert werden?

Den uralten Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit konnte natürlich auch Leuenberger nicht lösen. Vielmehr versuchte er ein paar Leitplanken zu setzen, wie der Staat seiner Verantwortung nachkommen kann, die Sicherheit zu organisieren. Denn der Staat habe die Verpflichtung, Gefahren zu entschärfen, ohne indessen Innovationen zu verunmöglichen. Die diesbezüglichen Ansprüche an den Staat sind gestiegen, auch von Seiten der Medien. «Wenn einmal etwas passiert, würden wir in die Sonntags-Pfanne gehauen», sagte Leuenberger mit Blick auf die Sonntagsblätter. Denn es werde erwartet, dass es gar keine Pannen geben kann - für Leuenberger ein Zeichen menschlicher Hybris. In dieser Situation stehe der Staat in der Pflicht, die Risiken zu erkennen und zu analysieren. Dazu sei eine offene Fehlerkultur, eine «no blame culture» vonnöten. Er plädierte auch für die Entflechtung von Verantwortlichkeiten: Gemäss dem Diktum der «organisierten Unverantwortlichkeit» des Soziologen Ulrich Becks sei heute oft jeder ein bisschen verantwortlich, aber niemand für das Ganze.

Je mehr Sicherheit, desto mehr Kompetenzen habe der Staat, hielt Leuenberger fest und erwähnte auch das staatliche Sicherheitsinstrumentarium: Vorschriften, Verbote, Überwachen und Strafen. Dieses stösst nicht immer aufGegenliebe. Etwa im Strassenverkehr: «Lieber sterbe ich, als mit Tempo 80 Töff zu fahren», zitierte Leuenberger einen freiheitsliebenden Protestbriefschreiber. Der Staat komme halt ab und zu in die Situation, die Freiheit eines Menschen zu dessen eigener Sicherheit einzuschränken. Dass die Frage, wo genau die Grenzen zwischen Freiheit und Sicherheit zu ziehen sind, äussert delikat ist, mussten auch Leuenbergers Nachbarkinder Laura und Luca erfahren: «Sie streiten fröhlich weiter, ob es wichtiger ist, Puppen zu schützen oder in Freiheit Fussball zu spielen.»

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